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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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Tal«, erklärte er. » Alle Menschen werden in Blut und Schmerzen geboren. Aber du bist von Fruchtbarkeit umgeben. Du hast Söhne?« Bartellus nickte. » Und du bist wohlhabend?« Als Bartellus erneut nickte, zuckte der alte Mann mit den Schultern. » Dann bist du ein glücklicher Mann.«
    » Die meisten Männer würden mich nicht glücklich nennen«, knurrte Bartellus.
    » Du bist ein General, General«, widersprach der Wahrsager nachsichtig. » Und du bist am Leben. Die meisten Männer würden dich nicht unglücklich nennen.«
    Eine Million Kanalgitter saugten den Regen ab, sammelten ihn in dem uralten System aus Rohren und Kanälen, Abwasserkanälen und Rinnen und führten ihn tief unter die Stadt. Der größte Teil des Wassers gelangte durch die gewaltigen Abwasserkanäle in den großen Menander. Der Fluss verlief durch die Eingeweide der Stadt. Ein großer Teil des Regens wurde von vielen Schichten der Stadtgeschichte gefiltert bis tief hinab, wo die Kanalisation zerstört und zerbrochen war, zerquetscht vom Gewicht der Zeit. Tausende kleine Rinnsale flossen durch Rinnen und zerbrochene Gitter, schwemmten die Wände der Kanalisation aus, wuschen den Schmutz und den Müll von Jahren weg, und eine Weile, ein paar Tage lang, waren die Hallen sauber, und es roch dort nach Gras und guter Erde.
    Auf seinem Ausguck oben auf dem Gierwehr streckte sich der Gulon behaglich und legte sich auf ein Stück Holz. Durch schmale Augenschlitze beobachtete er, wie ganze Scharen von Kloakern in die Walzen des Wehrs gezogen und pulverisiert wurden. Das Tier schloss die Augen und schlief.
    Der junge Elija zog sich Planke um Planke über die heftig schaukelnde Seilbrücke, während sie von den reißenden Fluten zerfetzt wurde. Aber er hatte nur Angst um seine Schwester. Ich kann sie nicht retten, wenn ich sterbe, dachte er, also klammerte er sich verzweifelt an einer Holzplanke fest und versuchte zu überleben. Er wurde lange vom Wasser hin und her geschleudert, bis der Strom endlich versiegte und er wieder atmen konnte. Er holte dankbar tief Luft, obwohl seine Lunge schmerzte und seine schmächtige Brust schrecklich wehtat. Als er die Augen öffnete, stellte er fest, dass es um ihn herum vollkommen dunkel war. Er hing kopfüber in Seilen, vielleicht in den Tauen der Brücke. Er hörte immer noch das Tosen des Wassers in der Nähe. Vorsichtig versuchte er, Arme und Beine zu bewegen. Jeder Knochen tat ihm weh, aber er schien sich nichts gebrochen zu haben. Er konnte sich zwar bewegen, sich aber nicht selbst befreien. Und selbst wenn ich mich befreie, dachte er, wohin soll ich im Dunkeln gehen?
    Verschnürt wie eine Ziege für eine Opferung, hing er hilflos an der Wand eines Abwasserkanals, in totaler Finsternis tief in den Eingeweiden der Stadt. Der kleine Junge begann zu weinen.
    Als Bartellus wieder zu sich kam, merkte er sofort, dass sich die Atmosphäre verändert hatte. Der erstickende Gestank, der ihn endlose Tage lang bedrückt hatte, war verschwunden. Jetzt war die Luft dünner, roch nach feuchtem Heu, überreifen Früchten, Rauch und ganz schwach nach Blumen. Er lag auf dem Rücken, und sein Körper schien ein altes Floß zu sein, das so gerade eben noch in einem Meer aus Schmerz trieb. Er spürte ein Gewicht auf der Brust, und als er die Augen öffnete und den Kopf etwas anhob, sah er, dass es das kleine Mädchen war. Es rührte sich nicht. Er dachte, das Kind wäre tot, aber als er versuchte, sich hinzusetzen, weckte sein unwillkürliches Stöhnen es auf. Es krabbelte hastig von ihm weg. Die Augen in seinem schmalen weißen Gesicht waren riesig.
    Dann blickte das Mädchen hoch und sah sich um. In dem Moment wurde Bartellus klar, dass er tatsächlich etwas sehen konnte. Sie befanden sich in einer runden Steinkammer. Fackeln in eisernen Haltern warfen flackernde Schatten auf die feuchten Mauern. Auf diese Mauern waren schwarz-weiße Bilder gemalt, schwach und verblasst. Vögel, gespreiztes Gefieder. Bartellus und das Mädchen befanden sich auf einem großen Vorsprung hoch über dem Strom, der in einem tiefen Kanal mitten durch die Kammer floss. Bartellus ließ sich gegen die Wand sinken und ruhte sich eine Weile aus, während er die Vögel an den Wänden beobachtete, die im Licht der Fackeln unheimlich zu zucken schienen. Zu mehr war er nicht in der Lage.
    Dann hörte er ein schwaches Geräusch und hob erneut den Kopf. Wie eine Fata Morgana in den Wüsten des Südens kam eine mit einem Kapuzenumhang verhüllte Gestalt durch
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