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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin
Autoren: Corinna Neuendorf
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P ROLOG
     
    Katzenburg im Einrich, Sommer 1429  
     
    Der Sturm zerrte wie ein Ungeheuer an den Fensterläden ihrer Kammer. Blitze zuckten, Donner grollte, und der Regen peitschte die Mauern der Burg wie ein gnadenloser Herr seine ungehorsamen Diener. Unten auf dem Hof warfen sich die Hunde bellend gegen ihren Zwinger, als könnten sie das Unwetter dadurch vertreiben.
    All diese Eindrücke strömten Angst einflößend auf Bella von Katzenburg ein, während sie zusammengekauert auf ihrem Schlaflager hockte. Das lockige hellbraune Haar fiel ihr lose über die Schultern, die sie mit einem wollenen Tuch bedeckt hatte. Auf dem Arm, fest an ihren Körper geschmiegt, hielt sie ihren gestreiften Kater.
    Die Zehnjährige liebte das Tier mit dem weichen Fell und den grünen Augen, die den ihren ähnlich sahen. Ihr Vater hatte es ihr zum achten Geburtstag geschenkt, und seitdem war es ihr treuer Begleiter.
    »Fürchte dich nicht, Peterle, Gott wird uns beschützen«, raunte sie ihm zu und schmiegte ihre Wange an seinen Rücken, worauf der Kater zu schnurren begann. Wenn überhaupt, merkte man ihm seine Angst nur an, da er bei einem neuerlichen Donnergrollen zusammenzuckte. Doch ebenso schnell, wie der Schreck bei ihm kam, verging er auch wieder. Die Worte, mit denen Bella ihren kleinen Freund beruhigen wollte, waren eher an sie selbst gerichtet, denn sie fürchtete das Gewitter.
    Es war noch nicht lange her, dass der Blitz in eine der Scheunen nahe der Burg eingeschlagen hatte. Helles Feuer war sogleich aus dem Dachstuhl gelodert, und nur mit Mühe hatten es die Knechte geschafft, die Pferde nach draußen zu treiben. Einige der Männer waren dabei von herabfallendem Reisig und Holz verletzt worden, und der alte Friedrich, der trotz seiner schlechten Beine gewagt hatte, den Jungen zu Hilfe zu kommen, war noch immer nicht wieder genesen.
    Auch für den Weinberg war das Unwetter gefährlich. Der Regen benetzte zwar die Blätter, dennoch konnte das Holz der Rebstöcke durch einen Blitzschlag in Brand geraten – vor allem zu dieser Jahreszeit.
    Obwohl sie noch jung war, wusste Bella nur zu gut, dass alles, was sie besaßen und waren, vom Weinberg abhing. Der Weinberg bestimmte ihr Leben, der Weinberg füllte ihre Truhen und Scheunen. Wenn ihm etwas geschah, geschah es gleichzeitig ihrer Familie.
    Doch an diesem Abend war es nicht allein das Unwetter, das Bella beunruhigte. Normalerweise war ihre Kinderfrau Katrina hier, bis sie eingeschlafen war, und in Nächten wie dieser holte ihre Mutter sie manchmal zu sich in ihre Kemenate. Heute dagegen war alles anders, und dafür gab es einen Grund. Heute, in dieser unheilvollen Gewitternacht, sollte ihr Bruder oder ihre Schwester geboren werden.
    Es war Brauch, dass bei einer Geburt sämtliche Frauen eines Haushalts der Gebärenden beistanden. Auch Katrina, Bellas Kinderfrau, war dabei und half so gut sie konnte.
    Noch bevor es dunkel wurde und der Sturm aufzog, war die Hebamme gekommen, ein krummgezogenes altes Weib mit grauen Haaren, die Bella an eine Hexe erinnerte. Vielleicht war sie auch eine. Das Mädchen hatte gesehen, wie Katrina sich bekreuzigt hatte, bevor sie die Kammer der Gebärenden betreten hatte. Aber die Alte stand in dem Ruf, selbst dann noch helfen zu können, wenn es ein Arzt nicht mehr vermochte.
    Nur zu gern wäre sie selbst bei der Geburt ihres Geschwisterchens dabei gewesen, doch das durfte sie nicht. Ihr Vater hatte sie auf seine starken Arme gehoben und in ihre Kammer getragen.
    »Sei schön brav«, hatte er gesagt und ihr übers Haar gestrichen. »Ich komme zu dir, sobald das Kind geboren ist. Dann kannst du es dir anschauen.«
    Bella hatte genickt, und nachdem er gegangen war, hatte sie ihre Gedanken schweifen lassen, zurück zu dem Tag, als ihr Vater verkündet hatte, dass sein Weib guter Hoffnung sei. In den vergangenen Monaten hatte sich der Leib ihrer Mutter gerundet, und ihr Vater hatte immer wieder davon gesprochen, dass sie bald schon einen Bruder oder eine Schwester haben würde. In Momenten, in denen er sich unbeobachtet gewähnt hatte, hatte der Graf seiner Frau liebevoll den Bauch gestreichelt, und sie hatten darüber gestritten, wie das Kind heißen sollte. Ihr Vater wünschte sich mehr als alles andere einen Sohn, einen Stammhalter, der eines Tages den Weinberg übernehmen würde. Bella gefiel das nicht so recht, immerhin war sie die Älteste. Aber sie war ein Mädchen, und schon oft hatte sie erfahren müssen, dass Mädchen nicht dasselbe wie
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