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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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kleinsten Sohn hatte, zeigte ihn, wie er mit seinen pummeligen Armen den Hals der geduldigen Hündin umschlang und seinen Vater längst vergessen hatte.
    Tränen strömten über sein Gesicht.
    Seine Frau Marta war nicht mit nach draußen gekommen, um sich von ihm zu verabschieden. Sie hatte im Bett gelegen, erschöpft in den letzten Wochen einer schweren Schwangerschaft. Er hatte sie zum Abschied geküsst und ihr versprochen, zu Beginn des Winters zurückzukehren. Er hatte keine echte Angst um sie gehabt; ihre beiden früheren Schwangerschaften waren ebenfalls schwierig gewesen, aber ihre Söhne waren gesund, und sie hatte innerhalb von Tagen ihre Kraft zurückgewonnen. Es tat ihm leid, dass er nicht da sein konnte, um die Geburt seiner Tochter mitzuerleben. Er war davon überzeugt, dass es diesmal eine Tochter würde.
    Er konnte sich nicht erinnern, dass er Marta zum Abschied geküsst hatte. Er war sich sicher, dass er es getan hatte, denn er tat es immer. Aber er war durch den bevorstehenden Feldzug abgelenkt gewesen, und er hatte sie unbewusst geküsst, ein beiläufiger Kuss auf die Wange. Der letzte Kuss.
    Dann war er mit seinem alten Freund Astinor Rotfall, der gekommen war, um ihn abzuholen, davongeritten. An diesem sonnigen Morgen hatte er nicht gewusst, dass ihm ein kurzer Prozess gemacht und er danach einer schrecklichen Strafe überantwortet werden würde. Und ebenso wenig wusste er, und er sollte das fast ein Jahr lang nicht erfahren, dass noch in derselben Stunde seine Familie abgeschlachtet wurde und seine so sehnsüchtig erwartete Tochter aus einer klaffenden Wunde in Martas Bauch herausfiel.

3
    Als Bartellus seine Augen wieder öffnete, saß die Frau immer noch mit ihm am Tisch, ein Glas Wasser in der Hand, und sie blickte ins Leere. Sie hatte seine Tränen gesehen, aber das kümmerte ihn nicht. Er fragte sich, wie viel Zeit verstrichen sein mochte.
    » Sind wir uns schon einmal begegnet?«, erkundigte er sich.
    » Einmal. Vor langer Zeit.«
    » Warum hast du uns gerettet?«
    » Vielleicht wurdet ihr einfach von den Regenfluten hier angespült.«
    » Von einer Regenflut, die uns rücksichtsvollerweise nicht voneinander getrennt hat, das Kind sicher in meinen Armen, und die uns dann in deinem Vorzimmer abgesetzt hat?«
    Sie seufzte. » Es wirft ein sehr trauriges Bild auf dein Leben, dass du fragst, warum jemand einen anderen vor dem Ertrinken retten sollte.«
    Er wusste, dass er sie kannte. Er zermarterte sein Hirn, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen. So viel von seiner Geschichte war von Blut und Schmerz fortgespült worden. Sein Gedächtnis war ihm jetzt ein gerissener und launischer Freund. Es gab Zeiten, an denen er die Bilder, wie seine Frau ihn anlächelte oder wie seine Jungs ihm im Sonnenlicht zum Abschied zuwinkten, nicht ertragen konnte. Aber diese Erinnerungen verfolgten ihn gnadenlos und kristallklar. Aber seine Tage des Ruhms, Zeiten, die er festhalten wollte, weil sie sich nie verändern würden, ganz gleich was in der Zukunft noch geschehen mochte, diese Erinnerungen schimmerten, waberten, schienen so unstet wie Wanderdünen in seinem müden Hirn zu sein.
    » Gibt es hier noch andere wie Indaro?«, fragte er Archange.
    » Warum?«
    » Weil sie gesund und stark ist und behauptet, eine Kriegerin zu sein. Warum also ist sie nicht in der Armee? Ist dieser Ort hier vielleicht eine Zufluchtsstätte für Feiglinge, die nicht für ihre Cité kämpfen wollen?«
    » Die Menschen flüchten sich aus vielerlei Gründen in die Kanalisation – und nicht alle sind Feiglinge«, gab sie nachdrücklich zurück. » Aber es gibt für Frauen einfachere Wege, dem Militärdienst zu entkommen. Sie können zum Beispiel schwanger werden. Keiner Frau, die ein kostbares Kind trägt, ist es erlaubt zu dienen, wie du sehr wohl weißt, General.«
    Er durfte das nicht zweimal durchgehen lassen. » Ich bin kein General.«
    Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. » Dann solltest du nicht so beiläufig von deinen Soldaten sprechen. Außerdem würde dich niemand für einen Schreiber oder einen Wirt halten. Und zudem«, sie lächelte, » siehst du auch aus wie ein General.« Plötzlich wirkte ihr Gesicht jünger.
    Zum ersten Mal seit vielen Tagen wurde ihm klar, dass er vermutlich stank. Trotzdem fühlte er sich behaglich, saß mit gefülltem Bauch auf einem Stuhl in, das musste er zugeben, angenehmer Gesellschaft. Es war warm, und seine Kleidung war zum ersten Mal seit Tagen trocken. Der Raum bestand aus kaltem
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