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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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liegt. Und dass sich dies momentan mit meinen Interessen deckt.« Dann wandte sie sich ab, stopfte das Kissen hinter ihren Kopf und schmiegte sich hinein. » Und jetzt sei still, Mädchen. Ich habe heute noch viel zu erledigen, und ich bin nicht mehr die Jüngste.« Dann schloss sie fest die Augen.
    Auch Emly lehnte sich wieder zurück. Sie nahm das Kästchen, das neben ihr auf der Bank lag. Archange hatte es ihr anvertraut. Es war aus glänzendem weißem Holz geschnitzt und ein wahres Schmuckstück. Sie hielt es auf ihrem Schoß und öffnete den kleinen, goldenen Riegel. Im Inneren des Kästchens schimmerte der Schleier des Gulons, als wäre er lebendig. Er war sorgfältig gefaltet worden, um in das Kästchen zu passen, und zwei der Figuren waren nach oben gefaltet. Eine war der geflügelte Drache, den ein Goldschmied in der Grenzstraße für sie angefertigt hatte, das andere war das gläserne Kaninchen – Fraylings Werk. Sie streichelte das kleine Kaninchen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an Frayling dachte.
    » Emly!
    Sie schaute auf. Elijas Augen waren geöffnet, und er schaute sie an. Sogleich kniete sie neben ihm und nahm seine gute Hand zwischen ihre Hände.
    » Wo sind wir?« Er runzelte die Stirn, als er sich in der fahrenden Kutsche umschaute. » Wohin fahren wir?«
    » Wir sind in Sicherheit«, beruhigte sie ihn. » In Sicherheit. Die Kaiserin wird für uns sorgen.«
    Er nickte, aber sie war sich gewiss, dass er nichts verstand. Er schloss die Augen und sank zurück in den Schlaf. Sie saß noch eine Weile da und hielt seine Hand, dann sank ihr Kopf auf seine Brust, und auch Emly schlief.

Epilog
    Sie waren aus der Cité geflohen und hatten um alle Städte einen großen Bogen geschlagen. Sie hatten Länder und Meere durchquert und waren auf der Flucht vor der Vergangenheit über wenig befahrene Straßen immer weitergeeilt.
    Die Tage wurden bereits kürzer, als sie die Gestade eines felsigen Eilands im nebligen Norden erreichten, wo die Sommer kühl waren und die Winter streng, wo der Wind jahraus, jahrein über trostlose Ebenen heulte. Das Inselvolk war rau und schweigsam, gehorchte keiner Stadt und keiner Herrschaft, weil die einzigen Mächte, die es respektierte, ihre harten Götter und die Winterstürme waren. Sie schauten die mittellosen Neuankömmlinge mit den Narben und den gehetzten Augen nur argwöhnisch von der Seite an und ließen sie in Frieden. Niemand wusste, woher sie stammten. Und niemand wollte es wissen.
    Der Mann und die Frau fanden ein Haus im Windschatten eines kleinen Friedhofs mit windschiefen, moosbedeckten grauen Steinen. Ihnen entging die Ironie nicht, aber es war ein ruhiges Plätzchen, selbst auf dieser Insel, und beide fühlten sich in Gesellschaft der Toten wohl.
    Über die Vergangenheit sprachen sie nie, und sie fürchteten sich davor, Zukunftspläne zu schmieden. Sie sprachen nur wenig miteinander, und wenn, dann nur über Wetterwechsel und Veränderungen der See. Sie waren stolz auf ihre erste Ernte und das kleine Fischerboot, das sie in jenem ersten, kalten Winter gemeinsam bauten.
    Es war Frühling, als die Übelkeit sie häufig quälte, aber das lag nur daran, dass ihr Bauch rund und praller wurde. Da merkten sie voll Staunen, dass sie ein Kind unter dem Herzen trug. Das hätten sie nie für möglich gehalten, nach all den Wunden, die sie davongetragen hatte. Die Niederkunft war ein hartes Stück Arbeit, aber als das Kind herausgeschlüpft war, dünn und knochig wie ein junger Hase, und Fell erkannte, dass es ein Mädchen war, da weinte er zum ersten Mal, seit er ein Kind gewesen war. Das Mädchen besaß die blauen Augen und das schwarze Haar seines Vaters und das Temperament seiner Mutter. Das karge Land ließ es drahtig und stark heranwachsen, und als die Jahre ins Land zogen, stillte dieses Kind schließlich auch die Schmerzen in den Seelen seiner Eltern und heilte ihre Wunden.
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