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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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Blick zu. » Sei nicht traurig, Kleine. Gestern noch war dein Vater ein verurteilter Verbrecher, den nur Qualen und ein einsamer Tod erwarteten. Heute ist er Held der Cité, einmal mehr der siegreiche Shuskara. Sein Name wird unsterblich werden, und alle werden voller Respekt von ihm sprechen. Dafür würde jeder Krieger sein Leben geben.«
    » Das alles ist nicht mein Verdienst«, flüsterte der General. » Indaro ist die Heldin. Sie hat das Unmögliche gewagt und einen Mann getötet, den man nicht töten konnte.«
    Archange wandte sich zu der Kriegerin um, doch ihr Gesichtsausdruck war kalt.
    » Ja, Indaro. Weil du zum guten Ausgang des heutigen Tages beigetragen hast, werde ich Gnade walten lassen und vergessen, dass ich dich hier gesehen habe. Aber wenn die Sonne aufgeht, wird man dich als Kriminelle brandmarken, und die ganze Cité wird dich jagen. Wer dir Unterschlupf gewährt, bringt sich selbst in Gefahr.«
    Es gab wütende Zwischenrufe von anderen Kriegern, aber Indaro nickte nur. » Ich werde nicht zum Haus meines Vaters zurückkehren. Dort brauchst du mich gar nicht erst zu suchen.«
    » Das wäre weise.«
    Fell fühlte sich elend. » Wird man uns alle wie Verbrecher behandeln?«, fragte er.
    Archange warf ihm einen scharfen Blick zu. Als er in ihren dunklen Augen die unzähligen Zeitalter sah, die sie erlebt hatte, legte sich sein Zorn. Diesen Wesen konnte man ebenso wenig böse sein wie dem Donner oder dem Blitz. Dennoch, so viele von ihnen waren gestorben, und ihn quälte der Gedanke, dass Marcellus vielleicht der Beste von ihnen gewesen war. » Ich war einmal, neben vielen anderen Dingen, eine Geschichtsschreiberin. Und es gehört zu den Pflichten einer Geschichtsschreiberin, zwischen den Verrätern und den Getreuen, zwischen den Besatzern und den Befreiern, den Freiheitskämpfern und den Rebellen zu unterscheiden. Und die Verantwortlichen zu benennen. Der Kaiser wurde ermordet. Indaro hat ihn umgebracht. Wer also sollte sonst die Schuld tragen?«
    » Sie gehörte einer Armee an. Genauso gut hätte auch ich es sein können, der ihm den Todesstoß versetzte.«
    » Du warst es aber nicht«, antwortete sie. » Als du die Gelegenheit dazu hattest, spürtest du Mitleid.«
    » Ich habe Marcellus getötet«, gestand er ihr.
    Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, und er fragte sich, ob sie es erst jetzt erfuhr. » Glaubst du wirklich, du hättest ihn töten können, wenn er es nicht hätte geschehen lassen wollen?«, erkundigte sie sich.
    Sie wandte sich wieder von Fell ab und legte ihre Hand auf Shuskaras Herz. Lange Zeit geschah nichts. Dann sagte sie: » Ein Held der Cité ist heute gestorben.« Emly schluchzte kurz auf und weinte dann bitterlich.
    Archange warf einen Blick in die Runde, als die versammelten Krieger die Häupter beugten. » Geschichtsschreiber sind es auch, die feststellen, wer der Held und wer der Schurke war. An Shuskara wird man sich noch erinnern, wenn der Name Vincerus lange vergessen ist.«
    » Vergebt mir, Mylady.« Der alte Mann in der Ecke stützte sich schwer auf einen Stock. Fell hatte ihn noch nie gesehen. » Die Frau hat einen Knaben aufgespießt, der fast noch ein Kind war. Das war der Kaiser?«
    Archange sah sich um und runzelte die Stirn. Rasch brachte ihr Darius einen Stuhl. Sie setzte sich neben den Leichnam des Generals und strich ihre Kleider glatt.
    » Da, wo ich herkomme, Dol Salida«, entgegnete sie, » ist es möglich, Leben zu schaffen, es in fleischliche Hüllen zu füllen und sie zum Leben zu erwecken. Wir nennen diese Schöpfungen Abbilder. Kaiser Araeon hat viele davon erschaffen, im Laufe der Jahrhunderte mögen es Hunderte gewesen sein. Die meisten waren Abbilder seiner selbst, aber einige waren nicht so wie er, manche waren nicht einmal menschlich. Araeon vermochte, mit derselben … Magie, unterschiedliche Abbilder für sich zu erschaffen. In den letzten Jahren war der Knabe in Grün ein Abbild, auf das er häufiger zurückgriff.«
    Sie seufzte. » Er hat uns alle überragt. Er war der Älteste von uns, war unser Vorbild und unser Vater. Aber am Ende lassen selbst die Kräfte der Stärksten nach.«
    Dann schwieg sie einen Moment, und Fell fragte sich schon, ob das wohl alles war, was sie erklären würde. Aber dann fuhr sie fort: » Marcellus war einer der Jüngsten. Auf seine Weise war er ein Genie, eine Waise. In einer Gemeinschaft, die so eng verflochten war wie die unsere, fühlte er sich einsam, glaube ich. Er hat in seinem langen Leben nur ein
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