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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Gemmell
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mit dem Griff des Rechens in den Schlamm vor ihr zu stechen. Sie prüfte die Tiefe und die Festigkeit des Schlamms. Und sie stürzte sich mit Freuden auf kleine Dinge, die Bartellus niemals auch nur gesehen hätte. Sie fand etliche Münzen, wenn auch keine goldene mehr, die Hälfte eines zerbrochenen Scharniers, das er einstecken sollte, und einen Messergriff. Sie fand auch eine Metallkassette, leer, die sie wegwarf, und den ledernen Umschlagdeckel eines Buches. Den reichte sie Bartellus, vermutlich, weil sie ihn für einen gebildeten Mann hielt.
    Überall waren tote Ratten, Katzen und halb zerfresse Leichen von Hunden angespült worden. Aber sie fanden keine weiteren menschlichen Leichname. Bartellus vermutete, dass die verschiedenen Gitter verhinderten, dass große Leichen bis hierher getrieben wurden. Er dachte wieder an den Toten und seine Tätowierungen. Erneut regte sich eine Erinnerung in seinem Kopf, aber es gelang ihm nicht, sie zu packen, bis sie sich schließlich ganz verflüchtigte.
    Er dachte immer noch an die Vergangenheit, als er plötzlich merkte, dass die Kloaker alle stehen geblieben waren und lauschten. Er selbst konnte über dem Rauschen des Wassers nicht viel anderes hören. Doch dann nahm auch er es wahr – ein fernes Hämmern, als würden hundert Bratpfannen wie Gongs geschlagen werden.
    » Regen!«, schrie Malvenny. Die Kloaker setzten sich sofort in Bewegung und hasteten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie ließen auf ihrer überstürzten Flucht die kostbaren Siebe, Rechen und Kellen zurück und nahmen nur die Fackeln mit.
    Anny-Mae packte Bartellus’ Arm. Ihre Miene war ängstlich. » Dieses Ufer wird im Nu überflutet sein«, sagte sie. » Wir müssen uns beeilen.«
    Bartellus sah, dass die Kinder vor ihnen waren, als sie über den bröckelnden Vorsprung zurückstürmten. Sie beeilten sich, bewegten sich aber trotzdem vorsichtig auf dem tückischen Untergrund. » Was war das für ein Lärm?«, fragte er Anny-Mae, die vor ihm ging.
    » Kloaker hoch über uns«, erwiderte die Frau, die vorsichtig weiterging, so schnell ihre kleinen Füße sie trugen. » Sie schlagen auf die Kanaldeckel, wenn es regnet, und warnen alle.«
    Bartellus bemerkte, dass der Fluss, dem sie folgten, anstieg, während er zusah. Als sie vorhin in die andere Richtung gegangen waren, war er weit unter ihnen geflossen. Jetzt rauschte er unmittelbar unter dem Rand des Simses entlang, und auf seiner Oberfläche bildeten sich grauer Schaum und große Blasen, die langsam und klebrig platzten. Außerdem bemerkte er, dass sie immer noch nach unten gingen.
    » Hier geht es nach unten!«, rief er, aber Anny-Mae war zu sehr damit beschäftigt, sich zu beeilen und zu sehen, wohin sie ging, als dass sie ihm hätte antworten können.
    Die Kinder verloren schnell den Kontakt zu den anderen, deren Fackeln bereits weit vor ihnen flackerten. Das kleine Mädchen rutschte plötzlich aus, als sie auf eine besonders schleimige Stelle des Weges geriet, und ihre Beine gaben unter ihr nach. Sie rutschte mit den Füßen voran in Richtung des Stroms. Elija griff nach ihr, aber die Fackel, die er trug, behinderte ihn. Er verfehlte sie und stürzte ebenfalls. Im letzten Moment, als das Mädchen gerade hilflos auf den Rand zurutschte, packte Bartellus ihren dünnen Arm, zog sie hoch und drückte sie an seine Brust. Sie war winzig und wog weniger als ein gutes Schwert. Er sah in ihr weißes Gesicht. Ihre Augen waren weit aufgerissen und schienen ins Leere zu starren, jenseits von Entsetzen und Erschöpfung.
    Der Junge rappelte sich hastig wieder auf und blieb vor ihnen stehen. Er zwang Bartellus, ebenfalls anzuhalten. Anny-Mae drängte sich an ihnen vorbei und jagte hinter dem Rest der Gruppe her, die mittlerweile verschwunden war. Elija blickte zu Bartellus hoch. Der alte Soldat erwiderte ruhig seinen Blick und sagte: » Ich trage sie. Lass mich helfen.« Elija rührte sich nicht. Seine Miene war entschlossen. Dann deutete Bartellus mit einem Nicken in die Richtung, in die sie gingen. » Los, beweg dich, Junge«, knurrte er.
    Elija drehte sich um und rannte weiter, schneller diesmal. Bartellus musste laufen, um mit ihm Schritt zu halten, denn der Junge hatte immer noch die Fackel in der Hand.
    Als sie schließlich die Gruppe wieder einholten, hämmerte Bartellus’ Herz ihm bis zum Hals. Sie waren an einem Scheideweg von zwei großen Tunneln angekommen. Frisches Wasser, es war frisch, das konnte er riechen, donnerte aus einem anderen Kanal
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