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Der Mitternachtsdetektiv: Unter Wölfen (German Edition)

Der Mitternachtsdetektiv: Unter Wölfen (German Edition)

Titel: Der Mitternachtsdetektiv: Unter Wölfen (German Edition)
Autoren: Dane Rahlmeyer
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eins: seine Frau in ein Objekt seines Hasses zu verwandeln.«
    »Nein«, hauchte sie. »Das ist Unsinn! Ich wurde nie gebissen, ich ...! «
    »Ich fürchte doch.« Mir war selbst hundeelend. Aber sie verdiente die Wahrheit. »Sie haben nur die Wunde nie gefunden. Schließlich heilt so was bei Ihren Leuten fast sofort.«
    Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: Nein, vergiss es, das ist Bullshit!
    »Ich weiß«, sagte ich sanft. »Sie erinnern sich nicht. Das ist ein Zustand, der mit der Verwandlung einhe r gehen kann. Es war eine Nacht wie diese: Sie und V a dim hatten Streit wegen seines Seitensprungs. Der Mond ging auf – und Sie haben Ihren Mann in einem Anfall von Ras e rei getötet.«
    »Nein«, krächzte sie. Mehr Rot floss aus ihren Augen.
    Es lief vor meinen Augen ab, wie einer der Filme aus dem Videoschatz meines Vaters:
    Sie war in der Mordnacht allein unterwegs gewesen. (Sie hatte es mir gesagt und ich hatte es ihr geglaubt; nun vermutete ich, dass es der Streit gewesen war, der sie von ihm fort getrieben hatte.) Sie war wütend, ve r letzt. Dann wurde sie angegriffen. Infiziert. Sie floh z u rück nach Hause – und der Mond ging auf, ließ all i h ren Zorn wieder hochkochen, ihre animalische Seite. Sie sah den Mann, der sie verletzt hatte.
    Dann: ein blutroter Rausch – und als sie wieder zu sich kam, als sie begriff, was sie getan hatte, lief sie abermals fort. Dann setzten die Blackouts ein; plötzlich wusste sie nicht mehr, wo sie war, wie sie dorthin gekommen war. Sie kehrte nach Hause zurück, kurz bevor die Sonne au f ging – wieder in ihrer alten Gestalt, verwirrt und veruns i chert. Und sie fand seinen Leichnam, mit Fell zwischen seinen Fingern. Ihrem Fell. Aber das wusste sie nicht mehr. Die nächsten Tage wurden die Gedächtnislücken größer, alles begann, zu verschwimmen. Sie schob es auf den Schmerz, die Verzweiflung. Vielleicht hatte sie es auch einfach nicht glauben wollen.
    »Sie haben es ganz einfach verdrängt«, sagte ich. »Zumindest ein Teil von Ihnen. Aber Sie hatten Al p träume: Sie sahen, wie ein Werwolf Vadim zerfleischte. Nur waren Sie dieser Wolf.«
    Sie rang nach Luft. »Aber vorgestern Nacht – der Mond ...!«
    »Ja, wir saßen zusammen und alles war okay mit I h nen. Aber da war der Mond noch nicht aufgegangen, erinnern Sie sich? Sehen Sie, ich habe gestern und vo r gestern Nacht immer wieder versucht, Sie zu erreichen ... aber Sie gingen nicht dran. Ich nehme an, Sie waren draußen ... im Mondlicht.«
    Ich versuchte die Vorstellung zu verdrängen: Wie ihr perfektes Gesicht sich verwandelte, wie ihr Fleisch riss und Fell daraus hervorspross. Wie eine neugeborene Wölfin heulend den Mond begrüßte.
    »Nein«, sagte sie, immer wieder, als könne das etwas ändern, und jedes neue Nein verlor an Kraft.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Aber ich fürchte, Sie werden Ihre Meinung über Werwölfe noch mal übe r denken müssen.«
    Sie weinte unverhohlen, das Gesicht in den Händen. Rote Tropfen fielen zwischen ihren Fingern hindurch und sprenkelten den Schnee zu unseren Füßen.
    Einen Moment lang zögerte ich. Dann legte ich ihr den Arm um die Schulter.
    Untot oder nicht: Am Ende sind wir alle nur Me n schen.
     
     
    12
     
    Jenny machte gerade den Laden dicht, als ich eintrat.
    »Und?«, fragte sie. »Wie hat sie’s verkraftet?«
    »Ich hab’ sie zur Prätorius gefahren«, sagte ich. Ich wusste, es würde einige Zeit gehen, bis ich Lucretias von roten Tränen bemaltes Gesicht wieder vergessen konnte. Wenn überhaupt. »Sie wird ihr helfen. Mittle r weile ist auch der Mond wieder aufgegangen. Es wird das erste Mal sein, dass sie ihre Verwandlung bewusst wahrnimmt. Aber wenigstens ist sie diesmal nicht a l lein.«
    Jenny nickte. Die Geschichte ließ auch sie nicht kalt. »Hat sie dich wenigstens bezahlt?«, fragte sie und schob mir eine Tasse Holunderblütentee hin.
    Ich nickte abwesend. »Sie hat sogar ’ne Prämie drau f gelegt. Weihnachten ist gerettet, hurra.« Ich starrte in die Tasse. »Sie tut mir leid, Jenny.«
    »Sieh’s mal so«, sagte sie und versuchte ein tröstendes Lächeln, »dafür hat sie jetzt die Chance, einen Dialog mit den Wölfen zu beginnen. Und wer weiß – vielleicht ist dies der erste Schritt zu ’ner Versöhnung.«
    Ja, vielleicht. Vielleicht war das der einzige Hof f nungsschimmer in dieser ganzen verdammten G e schichte. Ich unterdrückte ein Gähnen und rieb mir den Nacken. Zwei Pflaster klebten über den Stichen, die Isenharts
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