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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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hat: ›Der Metzger kann helfen!‹ und er sehr darunter gelitten hat, dass Sie sich wegen Philipp unberechtigterweise Schuldgefühle machen, hab ich Ihnen eben genau in puncto Schuldgefühlen vorsorglich noch einen kleinen Tritt verpasst und Sie in der Werkstatt besucht. Nicht böse sein, bitte! Ohne Tritt unternehmt ihr ja nichts, ihr Männer!«
    In einem Zug leert sie das vor ihr stehende Wasserglas.
    Der Metzger sitzt wie gelähmt vorm Küchentisch und starrt abwechselnd ins Leere und auf seine Halbschwester.
    So unglaublich ihm die ganze Geschichte nun auch vorkommt, er kann Frau Konrad und ihr Vorgehen verstehen. Was soll eine Mutter tun mit ihrem angsterfüllten Kind? Jemanden für sein Umfeld verschwinden zu lassen kann also durchaus bedeuten, ihn zu befreien. Mit dieser Klugheit brachte Helene Konrad ihren Sohn, ohne es zu wissen, ein zweites Mal zur Welt.
    »Ja, und das hat dann gewirkt. Schließlich kam Ihnen die Idee mit den möglichen Aufzeichnungen auf Philipps Handy, das seit Beginn dieser ganzen Geschichte auf seinem Nachtkästchen liegt – zum Glück mit dem noch von mir eingegebenen PIN-Code. Geburtstagsgeschenk  – Geburtsdatum – sehr einfallsreich!«
    Ein Lächeln legt sich in ihr Gesicht, und wenn er es auch nicht sagt, der Metzger, er denkt es zumindest: Es steht ihr gut.
    »Ja, und den Rest kennen Sie. Bis auf die Geschichte mit Ihrer Halbschwester natürlich!« Nun lächelt auch Sophie, und Frau Konrad setzt fort: »Oskar ist nämlich gestern völlig verstört von der Polizei heimgekommen, wollte Sie unbedingt sprechen. Ständig hat er sich wiederholt: ›Ganz anders sieht das aus.‹ Dann hat er mir erklärt, dass ihm dieser Mann bei der Polizei so komisch vorkomme, dass der das Foto retuschiert habe und im Zusammenhang mit der Geschichte um Sophie Widhalm und dem Video gegenüber einer Kollegin behauptet habe: ›Ja, ich weiß, was zu tun ist. Wird zur völligen Zufriedenheit erledigt!‹ Wie gesagt, Oskar verfügt über diese Gabe, Menschen in die Seele schauen zu können. Und wenn mir Oskar, nachdem wir Sie, Herr Metzger, nicht erreichen konnten, sagt: ›Sophie Widhalm, verstecken, wir müssen sie verstecken! Jetzt!‹, vertrau ich ihm. Dann hat er deineWohnadresse ausfindig gemacht, nicht wahr, Sophie, ja, und dann haben wir dich sozusagen aufgepickt, ein bisschen uncharmant, aber was …«
    »Was heißt uncharmant?«, versteht der Metzger nun wieder etwas nicht.
    »Na ja«, erklärt Sophie, »mit Pistole!«
    »Was hätten wir tun sollen?«, setzt Frau Konrad ein. »Ich bin eine Frau, und Oskar kann keiner Fliege was zuleide tun. Hätte ja sein können, dass Sophie nicht einsteigen will, wir ihr dann zwar durchs Seitenfenster heraus erklären, warum sie einsteigen soll, sie uns dann trotzdem nicht glaubt und schnurstracks zur Polizei, also zum Täter, spaziert. Da ist ein bisserl Herumgefuchtel mit der Spielzeugpistole meines Sohnes nicht wirklich als Verbrechen einzustufen, oder?«
    So einfach liegen die Dinge, wenn ihnen Erklärungen folgen. Wobei vieles einfach nicht erklärt werden kann. Denn wie er hier so im Zimmer sitzt und seine Halbschwester betrachtet, wird ihm klar, wie sehr das Leben aus sich kreuzenden Ereignissen besteht. Sobald nur eine einzige dieser Begebenheiten wegfällt, ändert sich der Verlauf der Dinge.
    Hätte ihn Eduard Pospischill beispielsweise nach dem Konzert auf dem Heimweg nicht ebenso im Stich gelassen wie der Hosenknopf, dann wäre ihm niemals das Sakko gestohlen worden. Dann wäre Philipp zu einem anderen Zeitpunkt heimgerollt und niemals Zeuge des Mordes an Galina Schukowa geworden. Dann wäre Willibald Adrian Metzger niemals mit Oskar zusammengetroffen und Sophie Widhalm jetzt tot. Endlos könnte der Metzger nun derartige Ereignisketten fortspinnen, an deren Ende stünde: Ohne seine Begegnung mit Wernher vonMühlbach, Sophie Widhalm und Oskar Marek wäre Rupert von Leugendorf ein von Herbert Homolka verhafteter Mörder.
    Wie sehr das Leben aus sich nicht kreuzenden Ereignissen besteht, die, wenn sie doch nur aufeinanderträfen, den Lauf der Dinge ändern könnten.

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    N EIN, DIE V ORSTELLUNG , dieses elende Schwein gleich tot zu sehen, behagt ihr mit einem Mal ganz und gar nicht. Nicht nur, weil Sophie Widhalm damit vielleicht auf ewig verloren wäre. Denn so ein wortloses Abtreten ermöglicht Herbert Homolka nichts anderes, als davonzukommen vor all der ihm bevorstehenden Pein.
    Leben musst du!, beschließt Irene Moritz. Und genau diese
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