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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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einderartiges Brüllen am halligen Gang eines wohl dicht besiedelten Wohnblocks zu verantworten hat, lässt er sich nun doch auf eine kleine Gesetzesübertretung ein.
    Dann fällt die Tür zu.
    »Was machen wir hier?«
    »Schuhe ausziehen!«, ist die Antwort, dann verschwindet Oskar auf Socken im Inneren der Wohnung. Willibald Adrian Metzger folgt ihm orientierungs- und in gewisser Weise auch hilf los, klarerweise in seinen Schweinsledernen. Hier regiert der Reichtum. Dunkelgrauer Schieferboden im Vorzimmer, die Wohnräume mit wunderschönem dunklen Walnussparkettboden, weiße Wände mit weißen Regalen, gemischt mit diesen gerade modernen, überteuerten dunklen Designermöbeln in antiker Optik. Jeder Restaurator könnte weitaus wertigere Stücke zu weitaus günstigeren Preisen abgeben, ohne dass man darauf acht Wochen warten müsste. Sichtlich teure elektronische Gerätschaften stehen herum, und Fotos mit ein und derselben Person zieren Wände, Regale, Vitrinen: Philipp Konrad beim Planschen im Meer, Philipp Konrad als Superman, Philipp Konrad mit seinem wohl ersten Hipp-Gläschen samt Karottenvollbart. Hier also wohnt beziehungsweise wohnte Philipp Konrad.
    Völlig absurd erscheint dem Metzger diese Situation. Hartnäckig kämpft er gegen seine gemischten Gefühle, bis nur noch ein gehöriger Ärger übrig bleibt. »Verdammt, was machen wir hier? Wenn du mir nicht sofort eine Erklärung gibst, bin ich weg, so schnell kannst du nicht bis drei zählen, nur dass das klar ist. Bei einem Einbruch erwischt zu werden ist nämlich das Letzte, was ich jetzt noch brauch!«
    Seelenruhig fällt die Antwort aus: »Niemand erwischt uns. Frau Konrad ist weg, Philipp ist weg.«
    »Ich weiß, dass Philipp weg ist. So weg ist der, dass ihn die Polizei sucht. Du erklärst mir jetzt bitte sofort, wo du den Schlüssel zu dieser Wohnung herhast!«
    »Blumen gießen! Die brauchen viel Pflege. Ich mach das, wenn Frau Konrad weg ist.«
    »Und dazu hast du den Schlüssel! Bekommen – nehm ich mal an? Was heißt, du machst das, wenn Frau Konrad weg ist? Ihr Sohn ist verschwunden, da muss doch eine Mutter da sein und die halbe Welt auf den Kopf stellen, um ihn zu finden!«
    »Müssen?« Was für eine sonderbare Antwort.
    »Ja, müssen, das Wort kennst du ja. Und warum bitte hast du mich jetzt hierhergeschleppt, um dir beim Blumengießen zuzusehen?«
    »Nicht hierher.«
    Unbeirrt steht Oskar vorm Fensterbrett des Wohnzimmers. Liebevoll widmet er sich einer Topfpflanze und übergeht dabei den Metzger mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre der Restaurator der weiße Wohnzimmerteppich höchstpersönlich. Dann dreht er sich um, drückt dem Metzger einen wunderschönen Bonsai in die Hand und erklärt: »Dein Lebensbaum: Ulme, 12. bis 24. Jänner, 15. bis 25. Juli, zähes Holz. Starke, pflichtbewusste Persönlichkeit. Schwimmt nicht mit dem Strom. Erhabener Baum, vermittelt Sicherheit. Schön! Gehört jetzt dir, wird nicht kaputt in der Werkstatt, pass ich auf ihn auf!«
    Der Metzger ist fassungslos, am 23. Jänner hat er Geburtstag, woher auch immer der Junge das weiß. Schwer fällt es ihm, da durchzublicken, diesem komischen, unsensiblen Verhalten irgendetwas Positives abzugewinnen.Was soll das, in einer so traurigen Situation Topfpflanzen zu entwenden und jemandem eine Freude machen zu wollen. Nach solch abartigen Gefälligkeiten ist ihm nun wirklich nicht zumute. Erschöpft bleibt er im Wohnzimmer zurück, vor sich den knorrigen kleinen Baum, während Oskar ins Vorzimmer geht und in seine Schuhe schlüpft.
    »Das heißt, wir gehen jetzt wieder, oder was?« Im Inneren des Restaurators rumort es, an den Kopf schmeißen könnte er dem Jungen dieses Pflänzchen, was sich gleich, wenn er sich nicht sputet, kaum noch ausgehen wird. Längst steht Oskar vor der Tür und wird zweifelsohne gleich von außen zusperren.
    Hektisch tritt Willibald Adrian Metzger ins Vorhaus, unbedacht hat er das Diebesgut in seinen Händen aus der Wohnung mitgenommen. Oskar steht bereits mit einem Fuß im Lift.
    »Bin ich froh, hier wegzukommen!«, bemerkt der Restaurator.
    Dann geht es aufwärts, zwei Stockwerke höher.
    Ohne Erklärung auf der einen und ohne Fragen auf der anderen Seite, wozu auch, wenn jedes Mal die Antworten ausbleiben. Nur ein Kopfschütteln bringt er noch zustande, der Willibald.
    Erneut wird die Eingangstür einer Wohnung angepeilt. Auf einem aus Ton gebrannten Schild steht: »Andrea, Roswitha, Oskar, Markus und Jochen«.
    Diesmal wird eine
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