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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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grüne Augen, Mörder von Käthe Henrikshausen, Galina Schukowa, Annabelle Wertheim-Müllner, Viktor Hubertus, Eduard Pospischill, wahrscheinlich auch von Philipp Konrad, beinah von Sven Lippert, geboren 1978 als Kind von Henriette, geborene Reichert, und Clemens …«, kurz versagt ihr die Stimme, als koste es sie Überwindung, den Namen auszusprechen, dann setzt sie mit eindringlichen Worten fort, »und Clemens Homolka. Und heute ist sein Todestag!«
    Die Stille ist erdrückend, über die Werkstatt hat sich eine schier unerträgliche Kälte gelegt. Es dauert, bis jemand Worte findet.
    »Nein, so ist das nicht!« Auffordernd blickt der Restaurator in die Runde der entsetzten Gesichter: »Heute ist nicht sein Todestag, denn heute ist bald vorbei. Jedem hier ist nach Rache zumute, auch mir, aber umgesetzt wird dieses Bedürfnis mit Sicherheit erst dann, wenn sich geklärt hat, was mit meiner Schwester passiert ist! Vielleicht ist sie einfach nicht erreichbar, vielleicht ist das aber auch nur deshalb so, weil sie seinetwegen …«, dabei deutet der Metzger auf den Bildschirm, »nicht erreicht werden kann.«
    »Keine Sorge«, beruhigt Irene Moritz. »Natürlich müssen wir vorher in allen Belangen auf Nummer sicher gehen! Und Sie, Herr Metzger, ich weiß, wie schwer das ist, Sie müssen uns jetzt einfach machen lassen und abwarten.«
    »Das können Sie vergessen!«

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    »I CH FÜHR DICH AUCH MAL AUS , Ehrenwort, aber eines sag ich dir, da suchen wir uns eine garantiert unterhaltsamere Stegreif bühne, beispielsweise bei den Wirten ums Eck!«
    Das waren die letzten Worte, die der Metzger von seinem Freund Eduard Pospischill gehört hat, und es werden auf ewig die letzten bleiben. Es lässt sich nicht zurückdrehen, das Rad der Zeit. Trotzdem beschäftigt den Menschen seltener die Frage: »Was wäre, wenn?« als die in ein geistiges Laufrad führende: »Was wäre gewesen, wenn?« Die Ehepartner überlegen, welchen Ärger man sich hätte ersparen können, wäre jeder für sich an der überfüllten Kirche einfach vorbeigefahren. Die Kinder, denen klar geworden ist, dass sie im Grund nur adoptiert sein können, überlegen, wie schön es wohl gewesen wäre, hätte sie und ihren Goldhamster jemand anderer mitgenommen. Ja, und der Goldhamster, der überlegt, wie ihm derart große Wesen nur so seelenruhig bei seiner Schufterei im Laufrad zuschauen können, ohne dabei ihr eigenes zu bemerken.
    »Immer nach vorne schauen, Willibald, und aus der Vergangenheit lernen!«, hat ihm seine Mutter stets aufgetragen. Sollte Sophie Widhalm noch mittendrin stecken, in einem düsteren Kapitel ihres Lebens, will er, so gut es ihm möglich ist, seinen Beitrag leisten, damit dieser Abschnitt nicht ihr letzter wird. Und genau aus diesem Grund sitzt er nun hier, der Metzger, denn eines hat die Dame des Gesetzes vorhin in der Werkstatt sofort verstanden: Den Restaurator wird sie nicht los, da kann sie machen, was sie will. Bevor er anderen irgendwo sinnlos im Weg herumsteht, ist er also gleich in ihrer Obhut gelandet, und gut ist das. Obwohl, wenn es nach Oskar Marek gegangen wäre, würde der Metzger jetzt gar nicht hier sitzen. Mit beinah unerträglicher Penetranz hat der vor der Werkstatt wartende Junge den Restaurator immer wieder am Ärmel gezupft und gemeint: »Aber du musst mit mir kommen!« Erst Irene Moritz war fähig, den Metzger von diesem Angriff zu befreien, in entsprechend direktem Tonfall, versteht sich: »Ja, sag, kommt das in deinem Wortschatz nicht vor, ein simples Nein, das darf doch nicht wahr sein!«
    Und wenn es nach der weitaus einsichtigeren ebenso vor der Werkstatt wartenden Danjela Djurkovic gegangen wäre, säßen sie jetzt theoretisch sogar zu dritt hier. Theoretisch, weil der private Zweitwagen der Zulassungsbesitzerin Irene Moritz, den im Kollegenkreis nur ihr Gerhard Kogler kennt, seinem Namen auch im Hinblick auf die mögliche Zahl der Insassen alle Ehre macht. Vielleicht ein Mopserl oder Zwergpudel hat da auf der Rückbank neben einem Sechsertragerl Obergärigem oder einer Schachtel feinster Pralinen Platz, aber garantiert kein Mensch von der Dimension einer Danjela Djurkovic.Und weil auch der restliche sich auftuende Innenraum in puncto Geräumigkeit durchaus als Vorübung zum Biwakieren geeignet ist, sind sie bald ein untrennbares Paar: die Observation und die stickige Luft. Drinnen laufen also die Scheiben an, das gilt übrigens genauso für die beiden anderen ums Eck geparkten, mit Polizeibeamten besetzten
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