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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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während sich auch noch die letzte zurzeit hier wohnhafte Person zwischen ihnen hindurchschiebt. Viel zu geräumig wirkt sein Pyjama, die kinnlangen blonden Haare stehen in alle Richtungen, müde und krank sieht er aus, nur die großen, runden Augen strahlen und sehen unschuldig zum Restaurator empor.
    Ein kurzes Lächeln legt sich auf sein Engelsgesicht, mehr nicht. Willibald Adrian Metzger weiß nicht, wie ihm geschieht. Beide sind sie da. Ohne den Blick von ihm zu lösen, steht er vor ihm, sein Sakkoräuber Philipp, undohne ihre Umarmung zu lösen, steht sie neben ihm, seine Halbschwester Sophie: »Es ist alles in Ordnung!«, flüstert sie.
    Wie ein verloren gegangenes und nun wiedergefundenes kleines Kind kommt er sich vor, der Willibald.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich!«, beginnt von der Eckbank her nun endlich derselbe menschgewordene Albtraum in weiblicher Gestalt die Stimme zu erheben wie ein paar Tage zuvor in Willibalds Werkstatt: »Wir sind Ihnen eine Erklärung schuldig!«
    »Eine?«
    Befreiend ist das Gelächter, das sich, ausgelöst durch den Kommentar des Restaurators, nun in der Küche und im Vorraum ausbreitet.
    »Ja, nicht nur eine. Sie haben natürlich recht!«
    Oskar stellt dem Metzger wohlweislich ein Glas Rotwein auf den Tisch, und dann wird, hoch leben die Eckbänke rund um die häuslichen Küchentische, zusammengerückt, denn alle neun versammelten Personen haben, die beiden Stühle mit eingeschlossen, blitzartig gemütlich Platz – zumindest für einen kurzen Moment.
    »Das hättet ihr wohl gern, ihr Neugierdsnasen!« Ein sanftes Lächeln steht im Gesicht der Fremden. »Bitte!«, fügt sie auffordernd höf lich hinzu, und jeder kennt sich aus.
    Sätze wie: »Gut, aber wundervoll, dass du da bist!«, »Na schön, dann gehen wir eben wieder schlafen!«, »Philipp, komm, ich bringt dich ins Bett!«, »Danke, Herr Metzger!«, »Gute Nacht, Roswitha!«, »Gute Nacht, Andrea!«, »Ja, gute Nacht, Jochen und ihr alle«, erhellen mit erfrischender Fröhlichkeit den Raum, kurz kommt es dem Willibald vor, er wäre bei den Waltons, dann sitzter mit Sophie Widhalm und dieser seltsamen Frau allein am Tisch.
    »Sie glauben nicht, wie froh wir sind, Sie wiederzusehen!«, beginnt die Dame im Eck ihre Ausführungen.
    »Wir?«
    »Natürlich wir. Von Oskar kann ich das mit Sicherheit behaupten, der redet ja Tag und Nacht von Ihnen, seit Sie da so neugierig beim Denkmal aufgetaucht sind. Und ich bin, ehrlich gesagt, mittlerweile auch ausgesprochen froh, Ihre Schwester sowieso, und meinen Sohn, denk ich mal, wird’s am allermeisten freuen.«
    »Sie sind also Frau Konrad!«
    Insgeheim hat er sich ja schon so was gedacht, auch weil das Bild dieser Frau zumindest optisch dem entspricht, was Eduard Pospischill bei seinem ersten Anruf in der Schule berichtet wurde. Dass die Natur den harmlosesten Tieren zumindest äußerlich eine abschreckende Gefährlichkeit verpasst, ist ja nichts Neues.
    »Ja, aber wie geht das? Philipp gilt als vermisst, wie und wann haben Sie ihn denn gefunden? Und dann Sophie, wie kommst du hierher? Weißt du, was wir uns für Sorgen machen, die Polizei sucht nach dir und …«
    Frau Konrad denkt gar nicht daran, sich das Wort nehmen zu lassen: »Dass Sie die beiden überhaupt zu Gesicht bekommen, liegt einzig und allein an Oskar. Aber lassen Sie mich von vorne anfangen, Herr Metzger, dann verstehen Sie es besser. Also: Am Samstagabend war Philipp skaten. Erst kurz vor Mitternacht, ich hab mir natürlich schon größte Sorgen gemacht, ist er ziemlich erschöpft heimgekommen, hat mich völlig ignoriert und sich seltsam benommen. Seit sein Vater ausgezogen ist, redet er mit mir ja ohnehin nicht besonders viel, grad so, als wäreich schuld an der plötzlichen Vorliebe meines Exmannes für deutlich jüngere Frauen. Ja, ihr Männer haltet zusammen, diese Lektion bekommt man als Sitzengelassene dann auch noch vom eigenen Kind zu spüren! Wenigstens ›Hallo‹ sagt Philipp aber für gewöhnlich doch, genauso, wie er auf meine Frage, wo er denn gewesen sei, normalerweise zumindest ein ›Geht dich nichts an‹ übrighat. Diesmal aber ist er ohne ein Wort in sein Zimmer marschiert. Ich war froh, dass er endlich heimgekommen ist, hab nicht nachgefragt, wollte keinen Streit. Wie er dann aber am Sonntag nach mehrmaligem Aufruf nicht zum Frühstück gekommen ist, bin ich in sein Zimmer. Und da habe ich ihn im Bett gefunden, wie ein Häufchen Elend, Schüttelfrost, hohes Fieber, wirres Zeug hat er
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