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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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sein.‹ Wissen Sie, wie das einer Mutter, die zu ihrem Kind ein distanziertes und schwieriges Verhältnis hat, ans Herz geht, so ein ›Lass mich bei dir sein‹? Ewig hab ich auf ihn eingeredet, ihm versprochen, niemanden an ihn heranzulassen. Bis Mittwoch hat er dann nur im Bett gelegen, stark verkühlt mit hohem Fieber, hat kaum etwas gegessen, war sehr sonderbar und in sich gekehrt, aber gesundheitlich ist es aufwärtsgegangen. Das war, ich bin ja Ärztin, einmal mein Hauptanliegen, ihn wieder auf die Beine zu bekommen. Und genau an diesem Mittwoch hat sich dann erstmals die Polizei in der Schule und schließlich bei mir gemeldet.«
    Und das allein ist meine Schuld!, erinnert sich der Metzger nun an seine Ruhelosigkeit gegenüber Eduard Pospischill, der schließlich erst nach dem Druck des Restaurators ein wenig herumzustochern begonnen hatte.
    »Philipp wurde also gesucht. Darauf ist er völlig ausgerastet, hat mich beschuldigt, ihn hintergangen zu haben, hat zuerst auf mich, dann auf sich selbst eingedroschen, vor allem auf seinen Kopf, immer wieder und wieder, entsetzlich war das, und dabei hat er gerufen: ›Ich hab doch gesagt, versteck mich!‹ und: ›Du willst mich nur loswerden!‹ Ich war nicht imstande, ihn zu beruhigen, zum Glück war Oskar herunten und konnte ihn fixieren. Wissen Sie, wie schlimm das ist, wenn man als Ärztin das eigene Kind niederspritzen muss, damit es sich nicht selbst bewusstlos schlägt? Innerhalb kürzester Zeit musste ich entscheiden: Will ich, dass die Polizei oder irgendein Arzt in meinem Haus auf kreuzt, und diesbezüglichkann man wirklich Pech haben, das können Sie mir glauben, will ich, dass diese Leute in unserem Leben herumwühlen, meinen Sohn wie einen kleinen Verbrecher behandeln, immerhin hat er gestohlen, will ich, dass man seine Traumatisierung bemerkt und ihn einliefern lässt? Will ich das, noch dazu wo mein Junge am liebsten verschwunden wäre? Verstehen Sie, Philipp hatte Todesängste, und um das zu wissen, brauchte ich keinen Therapeuten. Sollte ich ihn da irgendwo abgelegt in einem fremden Zimmer allein lassen? Ich wusste ja nicht, warum oder vor wem er diese Angst hatte. Da hat auch mein ganzes Zureden nichts genützt, Philipp hat mir nichts verraten, so dermaßen unter Schock hat er gestanden. Nur, bevor mir mein Junge in eine Klinik kommt, mit Medikamenten vollgepumpt und angegurtet in einem Gitterbett ruhiggestellt wird, unternehme ich alles, um ihm zu helfen – und mit alles meine ich auch alles. Also hab ich ihn, wie er wollte, versteckt, sozusagen verschwinden lassen. Und die effektivste Lösung, um ihn zu schützen und aus der Schusslinie zu bekommen, ohne ständig unter Beobachtung zu stehen und sich rechtfertigen zu müssen, war es, ihn als vermisst zu melden. Das hab ich getan und ihn an den nächsten, sichersten Ort gebracht, der mir eingefallen ist. Ein Ort, an dem ich ständig bei ihm sein kann, ohne dass es jemand weiß, wo ich sofort in meiner Wohnung bin, wenn ich etwas brauche oder die Polizei auftaucht, und ein paarmal war er ja bei mir, dieser Pospischill. Dieser Ort ist hier, zwei Stockwerke höher. Da sucht keiner, bei Menschen, die aus lauter Unwissenheit der anderen als geistesgestört abgeurteilt werden. Und eines kann ich Ihnen versichern: Hier hält jeder dicht! Ich selbst bin seitdem im Krankenstand, und jeder in meinerKlinik versteht, ohne nachzufragen, meine Abwesenheit, immerhin ist das eigene Kind verschwunden. Mit Philipp ist es dann langsam besser geworden, er hat sich sozusagen mit seiner Situation arrangiert, zwar kaum gesprochen, weder seinen Computer noch sein Handy benutzt, was mich sehr wunderte, immerhin verbringen die Kinder damit die meiste Zeit, aber er hat zu essen begonnen und schließlich auf seiner PSP gespielt, und zum ersten Mal war ich froh, dass er das tut.«
    »PSP?«, mischt sich der Metzger ein.
    »Man merkt, dass Sie nichts mit Kindern zu tun haben. PlayStation Portable. Das sind die Dinger, von denen wir großspurig behaupten, sie niemals, aber wirklich niemals unseren Kindern zu schenken. Egal! Auf jeden Fall ist dann Sven angefahren worden und liegt seither schwer verletzt mit unzähligen Brüchen bei uns im Spital, und wenn ihn der Würstelstandbesitzer Herr Johann nicht sofort ins Krankenhaus gebracht hätte, wäre Sven heut wahrscheinlich tot. Milzriss! Natürlich hab ich Philipp nichts davon erzählt. Aber große Sorgen hab ich mir gemacht, natürlich auch Oskar. Und weil Oskar immer behauptet
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