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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel
Autoren: Thomas Raab
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geredet, ja, und dann ist mir das Sakko aufgefallen, und ich hab Oskar heruntergebeten. Die beiden sind wirklich gute Freunde. Ab und zu, wenn ich Nachtdienst hab und mein Kindermädchen nicht kann, schläft Philipp sogar hier heroben. Oskar war zuerst nicht gerade gesprächig, dann hat er aber gesehen, wie dreckig es Philipp ging, und mir erzählt, dass, nachdem am Samstagabend alle ins Nachtprogramm gestartet sind, nur noch Sven und Philipp beim Denkmal gewesen seien. Mehr wisse er nicht, außer dass die beiden manchmal Blödsinn machen und dieses Sakko sicher nicht einfach nur auf der Straße gefunden hätten!«
    An dieser Stelle muss Frau Konrad unterbrechen.
    »Das tut mir leid. Ich entschuldige mich aufrichtig für meinen Sohn Phi…!« Kurz kämpft sie gegen ihre Rührung, und dem Metzger kommt es so vor, als ob Helene Konrad in ihrem Leben alles tun würde, um diesen Kampf niemals zu verlieren. Mit fester Stimme erklärtsie: »Für mich. Ich entschuldige mich für mich. Dass Philipp auf diesem Weg Bestätigung suchen musste, ist einzig und allein meine Schuld und natürlich die meines nicht mehr anwesenden Mannes. Ich wusste bisher davon nichts. Was ich an diesem Abend dann aber wusste, war: Dieses Sakko muss zurückgebracht werden. Weder wollte ich, dass jemand durch meinen Sohn zu Schaden kommt, noch, dass mein Sohn durch diesen Diebstahl in Schwierigkeiten gerät. Oskar hat darauf hin ein wenig im Internet herumgestöbert, und wir hatten Ihre Daten.«
    Das wundert den Metzger nicht mehr. Mittlerweile hat er sie ja kennengelernt, die aufgeklärte Welt. So aufgeklärt im Sinne von unbedeckt, da bietet kein Wölkchen mehr Schutz vor der völligen Durchleuchtung und somit Manipulation.
    »Und dann waren Sie also bei mir vor der Tür!«
    »Nicht ich«, stellt Frau Konrad wie selbstverständlich fest, »sondern Oskar. Ich hätte ja mein Kind nicht allein lassen können.«
    »Oskar? Sie haben den Jungen geschickt, das ist doch wirklich …«
    »… nicht zu vermeiden gewesen!«, fällt sie ihm ins Wort. »Sie haben ja keine Ahnung, was passiert, wenn sich Oskar etwas in den Kopf setzt. Außerdem war klar, nachdem Sie nicht in Ihrer Wohnung, sondern in der Werkstatt abgehoben haben, wo Sie sich auf halten. Weiter waren Sie dann so überaus zuvorkommend, am Telefon gegenüber einem wildfremden und schweigenden Anrufer zu erläutern, dass Sie noch länger in der Werkstatt erreichbar sein würden. Gefährlich kamen Sie uns also nicht vor. Außerdem hat Oskar zuerst das Sakko abgelegt, an Ihrer Tür geklopft, sich im Stiegenhaus verstecktund erst dann, als nach einiger Zeit das Sakko noch immer da war, nach Ihren Pflanzen gesehen.«
    »Nach meinen Pflanzen? Ich hab gewusst, es war wer in der Wohnung!«
    »Ja, nach Ihren Pflanzen. Oskar behauptet immer, Pflanzen, die bei Menschen wohnen, erzählen einem alles über ihren Besitzer. Und Bücher. Und bei Ihnen war gemäß seiner Auskunft in keinem Raum etwas welk, und auf dem Wohnzimmertisch hat ein Lebensratgeber gelegen. Wie könnten Sie da gefährlich sein? Am Montag hat er sich dann beim Denkmal noch ein persönliches Bild von Ihnen gemacht, und seither haben Sie sein Vertrauen gewonnen, und diesbezüglich ist auf ihn absoluter Verlass. Er verfügt über eine Gabe, die kann man nicht erklären, schaut einem Menschen in die Seele und weiß in kürzester Zeit: Das ist ein Guter, das ist ein Schlechter. Irgendwie müssen Sie für ihn eine Art Rettungsanker gewesen sein – so wie er vor allem in menschlicher Hinsicht für uns einer ist. Bis Sonntag also hat Philipp hoch gefiebert, immer wieder Albträume gehabt, gerufen: ›Versteck mich, du musst mich verstecken, sag allen, dass ich verschwunden bin!‹ Am Montag hab ich aus lauter Sorge vergessen, ihn in der Schule zu entschuldigen. Hat natürlich gleich die Schule bei uns angerufen, in diesem Spinnerturm stehen wir ja sowieso auf der schwarzen Liste. Da hat Philipp dann erstmals zu weinen begonnen, und ich wollte alles von ihm fernhalten. Am Montagabend ist dann Oskar aufgeregt bei unserer Tür hereingestürzt und hat nun leider nicht nur von Ihnen, sondern eben auch von einer Frau erzählt, die beim Denkmal gewesen sei und nach Philipp gefragt habe. Da ist mein Sohn dann völlig in Panik verfallen, hat am ganzen Leib gezittert,schrecklich. Meine Idee, zur Polizei zu gehen, hat ihn nur noch mehr aufgewühlt: ›Versteck mich‹, hat er mir zugeflüstert, diesmal im Wachzustand, und: ›Bitte, Mama, lass mich bei dir
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