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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler
Autoren: Will Lavender
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ich weggefahren. Ich habe das Baby mitgenommen und bin raus aus Hamlet. Und als ich zurückkam, hatte sich etwas verändert. Charles war fröhlicher geworden. Ich dachte, es wären die Lexika, dachte, er hätte viel verkauft. Aber ich irrte mich. Ich fand heraus, dass er sich ein Mädchen besorgt hat. Sie im Wald ermordet und Bücher um die Leiche verstreut hat … aber nicht aufs Gesicht. Das kam später.«
    Die Frau hielt inne. Der Wind blies und bewegte ein Windspiel, das am Dachvorsprung der Veranda hing. Jetzt , dachte Alex. Jetzt kommt das Ende der Geschichte.
    »Charles wollte gefunden werden«, sagte sie. »Er wollte gefunden und geheilt werden wie jeder kranke Mensch. Verstehst du? Er wollte den Ermittlern sagen, was er getan hatte, was er anderen Mädchen noch antun würde. Also versuchte er mit seinen Romanen, es den Leuten zu erzählen, sie zu warnen, ihnen zu zeigen, wer er war.«
    »Wie?«, fragte Alex mit zitternder Stimme.
    »Charles’ Verstand funktionierte merkwürdig. Seine Krankheit war real. Und die Wissenschaftler dachten, er sei ein Genie; diese Studenten, die zu meinem Haus kamen, dachten, Paul Fallows sei ein Gott.« Sie machte eine Pause, lachte. »Fallows war nur ein Name. Nicht mehr als ein Name. Ein Gespenst, jemand, den mein Mann erfunden hatte, um sich zu verstecken. Diese zwei Romane, die er geschrieben hat, besonders Die goldene Still e – das war eine Art Wegweiser zu ihm, eine Karte. Um ihn zu finden. Um ihn zu bestrafen.«
    »Aber in Die goldene Stille findet sich ein Verweis auf Dr. Morrow. Ihr Ehemann kannte Morrow nicht. Er konnte ihn nicht kennen. Charles war doch schon tot, als der Doktor … Charlie nach Hause schickte.« Alex achtete darauf, nicht »geheilt hatte« zu sagen. Nicht nach all dem, was Dr. Bern ihnen erzählt hatte. »Was ist mit Charles geschehen, Lydia?«
    Die Frau runzelte die Stirn. »Offensichtlich bist du nicht so klug, wie ich dachte. Wir haben Charlie nach Shining City geschickt, wo er den guten Doktor getroffen hat. Es war unsere Entscheidung.« Lydia war gereizt. »Es war Charles’ Pech zu sterben, bevor er Fortschritte machte. Es war ein Gerinnsel in seinem Hirn, das sich löste und dann platzte. Eine Hirnbombe. Und ich tat, was Charles mir aufgetragen hatte: Ich habe Die goldene Stille zur Veröffentlichung weggeschickt. Aber damals war Charlie schon …« Sie sah sich zur Tür, zu dem Mann um. Sie zuckte mit den Schultern: Was hätte ich tun können ? »Wie sein Vater.«
    »Nein«, sagte Alex.
    »Die zwei Mädchen aus Dumant haben die Wahrheit entdeckt«, fuhr Lydia fort. »Sie sind zusammen hierhergekommen, weil dieser Aldiss es ihnen gesagt hatte, aber nur eine kam ein zweites Mal zurück. Die Clevere. Sie hat dieses Zimmer gefunden, genau wie du. Und Charlie hat ihr wohl von seinem Vater erzählt. Er hat es ihr erzählt, weil sie« – ihre Stimme war leise, verschämt – »eine Hure war. Sie hat ihn wohl angefasst. Sie hätte alles getan, um zu bekommen, was sie wollte. Und Charlie redete. Er hat seinen Daddy verraten. Er hat ihr alles über die Mädchen erzählt, über die Leichen und die Enzyklopädien. Aber dieses Mädchen und ihre Freundin verließen Iowa, bevor ich irgendetwas tun konnte. Es dauerte nur wenige Tage, bis wir den Mut aufbrachten, nach Dumant zu fahren. Es musste getan werden. Dr. Morrow hat ja keine Wunder bewirkt, weißt du; niemand konnte diese Anwandlung verändern. Niemand.«
    Alex sah das Gesamtbild. Shawna und Abigail waren hier gewesen, aber wie sie war Shawna noch einmal zurückgekommen. Allein. Um tiefer zu graben. Zu gewinnen. Hatte sie Abigail überhaupt erzählt, was sie entdeckt hatte?
    »Ich bereue meine Eile natürlich«, fuhr Lydia fort. »Ich habe erst nach unserer Rückkehr bemerkt, dass Shawna uns etwas gestohlen hatte. Etwas Privates. Jahrelang habe ich auf das Erscheinen dieses Buchs gewartet. Darauf, dass jemand wie du … na ja, spielt jetzt keine Rolle mehr.«
    Noch ein Schritt. Die Frau kam in dem winzigen, vollgestopften Zimmer immer näher. Alex dachte: Hau sofort ab . Sie versuchte, sich nach hinten zu drücken, weg von Lydia. Versuchte, sich zu bewegen, aber sie stand direkt vor einem Karton. Sie spürte, wie die scharfe Kante ihr ins Bein schnitt.
    Lydia sah nach unten. Sie runzelte die Stirn, als hätte Alex alles ruiniert, als wäre Alex in die Geschichte geplatzt und wüsste genau, worauf sie hinauslief. Als wäre das Ende zu schnell und zu bald zu ihr gekommen.
    »Charlie«, sagte sie,
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