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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler
Autoren: Will Lavender
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sich. Sie sah Alex jetzt mit einem Ausdruck mütterlicher Sorge an. Ein Ausdruck des Mitleids. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass es so enden muss.«
    Dann machte sie den Weg frei. Charlie trat vor, seine schnürsenkellosen Schuhe kamen näher. Alex sah, wie er die Axt hob. Sie zuckte zusammen, als sie im Licht surrte, als sie sie hoch über sich sah. Ihr Körper ergab sich in sein Schicksal.
    Das Beil kam.
    Alex schloss die Augen.
    Das Nächste, was sie sah, war Lydia Rutherfords Körper, der wie eine Naht geöffnet wurde.
    Die Frau, die eben noch da gewesen war, gab es nicht mehr. Sie war mit einem Schwung zerstört worden, aus dieser Welt entfernt, geschunden und blutig auf dem Fußboden, während der Mann über ihr stand und die Axt aus dem Fleisch seiner Mutter wand.
    Dann hob Charlie die Waffe wieder und ließ sie abermals niedersausen. Das Geräusch war wie das einer Melone, die aufgeschnitten wird, nass und dicht und dickflüssig. Alex versuchte, es auszublenden, aber sie konnte es nicht, konnte nichts tun, als sich abzuwenden und zu spüren, wie das warme Blut ihr Gesicht traf.
    Als sie wieder zu Charlie sah, war er so ruhig wie immer. Er sah sie an und zuckte mit der Schulter. Dann trat er vor.
    »Nein«, sagte sie. »Nein, Charlie. Nein.«
    Einen Augenblick lang blieb er stehen. Er starrte auf das Mädchen vor sich. Und dann sagte er: »Das Ende.«
    55
    Am Rande ihres verschwommenen Gesichtsfeldes bewegte sich etwas.
    Die Tür flog auf, und Keller stand da, keuchend und panisch. Er sah den blutigen Körper auf dem Boden; er sah Alex. Alex streckte sich nach ihm aus, ihr Verstand war immer noch wie gelähmt. Sie versuchte, ihn zu berühren, aber er war zu weit entfernt. Er sagte nur ein Wort: »Nein.«
    Charlie drehte sich zu ihm um, versuchte, das Beil zu heben, aber Keller war zu schnell. Er stürmte gegen den Mann und drängte ihn nach hinten. Die Axt trudelte weg, knallte auf den Schlafzimmerboden. Alex konnte nur hilflos zusehen.
    »Ende!«, sagte Charlie noch einmal, und dann gab es noch einen Rums.
    »Alex«, sagte Keller. »Hol. Die. Axt.«
    Sie stand auf und hob die Waffe hoch. Trat einen Schritt auf die Männer zu, die auf dem Boden kämpften. Keller drehte sich um und sah sie, griff mit einer Hand nach ihr.
    Das Ende , dachte sie. Das Ende.
    Sie sah, wie Keller Charlie in die Augen blickte und ihn dann nach hinten bog, als kämpften sie um die Gedrängelinie beim Football; der andere Mann geriet nur für einen Augenblick ins Straucheln. Das reichte aus. Keller nahm ihr die Axt ab und stand mit ihr über den Kopf erhoben da.
    Charlie konnte nur zusehen. Er blickte wild drein, atmete schwer. Er streckte die Hände nicht aus. Er versuchte nicht, Keller aufzuhalten. Er tat eigentlich gar nichts.
    »Ja«, sagte er lächelnd. »Bitte.«
    Und Keller schlug mit der Axt zu.

Alex
    Gegenwart
    56
    Jetzt.
    Es ging darum, Owen näher an Aldiss und dessen Stuhl zu manövrieren. Aber wie? Owen befand sich knapp hinter der Tür, mindestens drei Meter vom Professor entfernt. Alex blinzelte in die Dunkelheit, hielt nach etwas Ausschau, irgendetwas, das sie als Waffe benutzen könnte. Während sie das tat, kamen Erinnerungen in ihr hoch. An einen anderen dunklen Raum, an eine andere verzweifelte Situation. Sie wusste, wie sie ihn schlagen konnte.
    »Ich verstehe, Matthew«, krächzte Alex, ihr Hals brannte vor Schmerzen.
    Er sah sie an. Er war so nah, dass sie seinen Atem roch.
    »Tust du das?«
    »Ja, das tue ich«, sagte sie, während sie versuchte, ihn sanft in Richtung Aldiss zu steuern. »Ich weiß, wie es ist, der Beste auf einem Gebiet zu sein. Zu dominieren. Ich weiß, wie gut Sie bei der Prozedur sind. Was für ein Experte Sie sind. Und ich weiß auch, was Sie wollen.«
    Das verwirrte ihn. Er ließ seine Schultern sinken, der Lichtstrahl schwang wild auf die Betonwand. »Und was will ich?«
    »Gewinnen.«
    Seine Augen blitzten. Sie hatte recht.
    »Sie wollen der Beste sein, der jemals die Prozedur gespielt hat. Besser als irgendeiner von Benjamin Lockes Iowans, besser als Aldiss oder irgendeiner von uns aus dem Abendkurs.« Sie machte eine Pause und wagte einen weiteren Schritt. Noch ein paar Zentimeter auf Aldiss zu. »Alles, was auf diesem Campus passiert ist – es geht immer nur um das Spiel. Darum, es zu Ende zu bringen. Es für immer zu beenden.«
    »Du weißt gar nichts«, sagte er. Aber sie wusste, dass das nicht stimmte. Wusste, dass sie richtiglag und ihn durchschaut hatte.
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