Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
acht Monden verlief.« Kalathee bemerkte zurückhaltend, aber so gut wie überzeugt: »Vieles, was du uns berichtet hast, entspricht wohl der Wahrheit. Aber ich kenne andere Geschichten, die in schroffem Gegensatz zu diesen Erklärungen stehen.«
    Luxon küsste sie auf den Nacken und sagte unumwunden: »Ich wusste nicht, wer du warst. Ich konnte nicht sicher sein, ob meine Wahrheiten bei dir sicher aufgehoben sind. Also musste ich hier und dort von der Wahrheit ein wenig abweichen. Ich hoffe, du kannst mir vergeben, teuerste Kalathee?«
    »Was bleibt mir anderes übrig?«
    »Ich würde untröstlich sein, wenn du im Zorn von mir gehen würdest«, entgegnete Luxon. »Aber nicht anders verlief mein Leben. Die jüngste Vergangenheit ist euch allen bekannt, selbst dir, Sadagar. Warum also blickst du noch immer so finster?«
    Sadagar verzog sein spitzes, faltiges Gesicht zu einer schwer zu deutenden Grimasse und zeigte mit langem Finger auf Mythor.
    »Ich sehe nach all den spannenden Geschichten nur, dass Mythor waffenlos wurde und sich dir und deinem Listenreichtum ausgeliefert hat. Niemand weiß, warum er dieses Risiko offenen Auges eingeht. Ich jedenfalls vermute hinter deiner plötzlichen Wahrheitsliebe die nächste Falle.«
    »Weit gefehlt, mein Freund«, versuchte Arruf Steinmanns Bedenken zu zerstreuen. »Da ich danach strebe, der Sohn des Kometen zu sein, verbieten sich Lug und Trug von selbst.«
    »Nadomir hilf«, murmelte Sadagar. »Ich weiß es nicht. Aber ich ahne Böses.«
    »Du wirst sehen, alles löst sich in Freude und Heiterkeit auf. Genieße die herrlichen Tage in meinem Palast!«
    »Ich gebe mir die größte Mühe«, antwortete Sadagar giftig. Als ihn unter dem Tisch der Tritt Mythors ans Knie traf, setzte er ein gezwungenes Lächeln auf und hob seinen Becher.
    »Wie schön«, knurrte Luxon, dem dieser jähe Stimmungswechsel nicht entgangen war. »Ihr sollt auch den Rest erfahren. Ehe wir, Sadagar, Mythor und ich, uns in das nächtliche Grauen des heutigen Sarphand stürzen, müssen Ehrlichkeit, Wahrheit und gegenseitiges Vertrauen herrschen. Vertrauen kommt vom Kennen, und ihr müsst mich kennenlernen. Also. Sei’s drum.
    Vor recht genau acht Monden fing es an.
    Wie ihr nun ganz sicher wisst, führte ich bereits damals mein Doppelleben als Arruf und Croesus; diese Zeit ist jedem aus Sarphand bekannt. Aber selbst heute lasse ich es mir nicht nehmen, völlig unerkannt durch Sarphand zu gehen, tagsüber ebenso wie in den Nächten. Damals war es riskant, sich nach Sonnenuntergang in viele Gassen zu wagen, heute beginnt die Stunde der Wilden Fänger erst später. Aber der klügste Teil des tollkühnen Wagemuts ist es, das Risiko zu mindern.
    Ich bin, nebenbei, einigermaßen geschickt in der Kunst der Tarnung. Aus meinen Zeiten als Meisterdieb kenne ich einen alten Hirten, der aus zwei Dutzend merkwürdiger Bestandteile eine Salbe rührt. Die Zutaten stinken ausnahmslos, aber die Salbe riecht nach Narde und köstlicher Ambra. Die Salbe heißt Tausend-Monde, und ihre Wirkung ist für kurze Zeit dementsprechend. Ich habe gestern abend, auf dem Weg zur Schenke, ein wenig um meine Augen und Mundwinkel gestrichen – sie macht einen Menschen um mehr als tausend Monde älter. Die Wirkung hält nicht lange an, und die Tausend-Monde-Salbe muss vorsichtig benutzt werden.
    Jedenfalls kleide ich mich wie ein alter Mann. Auf Greise machen die Wilden Fänger niemals Jagd, denn sie brauchen für Logghard junge, kräftige Kämpfer. Unerkannt schlich und schleiche ich mit runzligem Gesicht und faltigem Hals durch Sarphand. Ab und zu, wenn mich der Drang überkommt, maskiere ich mich nicht nur als Greis, sondern als verkommener Bettler. Dann bleibt auch das eine oder andere Schmuckstück an meinen Fingern haften.«
    Luxon lachte wohlgelaunt und winkte dem Mädchen, das den halbvollen Krug herbeibrachte. Mythor sah, dass Luxon nicht ein einziges Mal einen Schluck zu viel oder gar einen Becher über den Durst trank; er war sehr vorsichtig und schien die verderblichen Folgen der Trunkenheit genau zu kennen.
    »Und auf einer der letzten Gänge durch die Nacht kam ich zum Tempel der Großen. Ich war nicht das erstemal hier. Schon früher konnte ich die Stummen Weisen bei ihrem merkwürdigen Gestikulieren mit dem Erhabenen beobachten. Zuerst ahnte ich nicht, dass es tatsächlich eine Sprache war, die sie da benutzten. Aber schließlich, mit Hilfe anderer Kameraden, gelang es mir, die Schattenspiele etwas zu deuten. Ich verstehe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher