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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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über sich bringen, die Finger vom Gold zu lassen. Unzählige Liebschaften wechselten einander ab. Die Frauen von Sarphand sind leidenschaftlich und schneller zur Liebe bereit als andernorts, musst du wissen.«
    Mythor küsste Sadyn hingebungsvoll und murmelte lachend: »Das habe selbst ich als Fremder aus den Nordlanden begriffen.«
    »Luxon schlug aus diesem neuen Vorteil sehr schnell Kapital. Er war schon damals so schlau und gerissen wie heute. Aber niemals verriet er seine Freunde.«
    Also darf ich mich nicht zu seinen Freunden zählen, bemerkte Mythor bei sich und dachte an die Waffen, die noch immer dort drüben standen und an kostbaren Nägeln an der Wand hingen.
    »Im Lauf der nächsten abenteuerlichen Jahre änderte sich der Ruf, den Arruf in Sarphand hatte. Er fing an, die Reichen zu bestehlen, und schenkte große Teile der Beute den Armen, von denen es wahrlich genug in Sarphand gab und noch immer gibt. Und zudem schaffte es Arruf, dass die Bestohlenen niemals den Eindruck hatten, ausgeraubt worden zu sein. Er übertölpelte sie im Spiel, betrog sie im Handel, verschaffte sich auf ihre Kosten unzählige Vorteile. Er sah Möglichkeiten, wo kein anderer sie ahnte. Mit seinen Geschichten über die erfolgreichen Raubzüge erheiterte er die Konkurrenten der Bestohlenen und bestahl sie ihrerseits kurz danach. Alles lachte über seine Erzählungen, und in Wirklichkeit lachten sie über sich selbst.«
    Jetzt, im Jahr dreiundzwanzig des Yahid, musste sich Mythor gestehen, gab es bereits mehrere Geschichten dieser Art, bei denen man wohl über ihn lachen würde. In dieses Gelächter allerdings vermochte er nicht einzustimmen.
    »Es klingt«, wandte Mythor ein, »als ob Luxons Leben in jenen Jahren eine ununterbrochene Kette von heiteren Diebeszügen gewesen sei?«
    »Es mag so klingen, wenn ich es erzähle«, flüsterte Sadyn und strich über die kreisrunde Narbe hinter Mythors Ohr. »Aber natürlich gab es von Mond zu Mond mehr Menschen, die ihm seine Erfolge neideten. Und die Anzahl seiner Feinde wurde nicht geringer. Neider und Feinde, einzeln und gemeinsam, versuchten alles mögliche, um Arruf zu fangen, ihn zu berauben, ihn zu töten oder wenigstens so zu verwunden, dass er möglichst lange nicht in der Lage sein würde, auf seine Art weiterzumachen. Aber immer dann, wenn es für Arruf zu schwierig wurde, zog er sich hierher zurück. Niemand ahnt etwas davon, dass er und Croesus ein und dieselbe Person sind.«
    »Ich werde es bestimmt nicht verraten. Ohne seinen Schutz bin ich in Sarphand ebenfalls verloren.«
    »Das weiß ich, denn sonst hättest du von mir kein Wort erfahren«, meinte Sadyn. »Aber ebenso zahlreich wie Luxons Feinde waren seine Freunde. Seine wahren, echten Freunde. Er schaffte es, weiterhin nur jene Leute zu übertölpeln, die gerade an der Macht waren und ihren Einfluss dazu ausnutzten, sich zu bereichern. Unser Herr verstand es mehr als geschickt, die Politik in Sarphand zu beeinflussen – indem er hier nahm, dort schenkte, jenen einen Vorteil erwies, sich kleine und große Freunde verschaffte und mit deren Hilfe versuchte, seine Feinde zu erledigen. Aber als kluger Mann vergaß er niemals, dass sich solche Freundschaften auf Sand gründen. Mehr und mehr baute er mit den ergaunerten Reichtümern den Palast aus und arbeitete erfolgreich an der geheimnisvollen Gestalt des Croesus. Wenn Arruf verschwand, tauchte Croesus auf. Niemand hat es bis heute gemerkt.«
    Schweigend nahm Mythor weiterhin Anteil an dem abenteuerlichen Leben Luxons; je mehr er davon hörte, desto größer wurde seine Unsicherheit. Jetzt aber versuchte er, nicht an Luxon zu denken, sondern sich der jungen Frau zu widmen. Immerhin würde er wenigstens eine Erinnerung an Sarphand haben, die nichts mit Kampf oder Intrige zu tun hatte.
    Sadyn beendete ihre kurze Erzählung. »Und stets dann, wenn genügend Zeit nach irgendeinem Zwischenfall vergangen war, erschien Arruf wieder in Sarphand. Man bejubelte ihn immer lauter als König der Diebe und als Wohltäter der Rechtlosen. Die jeweilige Obrigkeit musste einsehen, dass ihr das Zähneknirschen nichts mehr nützte. Niemand konnte es mehr riskieren, einen solchen Volkshelden durch gedungene Mörder töten oder durch die Wilden Fänger verschwinden zu lassen. Wie konnte man eine solche schillernde, erfolgreiche und letzten Endes beliebte Gestalt ungefährlich machen?
    Die Herrschenden handelten schnell. Sie ließen sich genau das Richtige einfallen. Vielleicht hatte es ihnen
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