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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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Zustände beschafft.«
    Arruf senkte den Kopf. Er wusste genau, dass es ihm ein leichtes war, einen bestimmten Einfluss auf Menschen auszuüben. Vielleicht, sagte er sich, war dies ein Ausdruck dafür, dass er auch in der Lage war, mit übergeordneten Mächten zu paktieren; ein Umstand, den er sich in seinen wirrsten Träumen niemals überlegt hatte.
    »Warten wir es ab«, sagte er schließlich. »Vermutlich bin ich in dieser Hinsicht so blind wie ein neugeborener Hase.«
    Er wusste nicht, dass der alte, zahnlose Echtamor auf den ersten Blick festgestellt hatte, dass Arruf in dieser Beziehung ein unbeschriebenes Blatt war. Über seine Fähigkeit, Menschen zu bezaubern und zu benutzen, würde Arruf leichter und schneller eine Verbindung zur Welt der Geister, Dämonen und Schwarzen Magie herstellen können. Echtamor wollte Arruf als Vermittler zwischen den Reichen, und er nahm ihn sich.
    Fünf Monde voll von schrecklichen Erlebnissen brachen für Arruf an. Aber ein Bann hielt ihn innerhalb der stinkenden Stube des Magiers fest.
    Jeder Versuch, aus dem Einflusskreis Echtamors zu fliehen, schlug spätestens an der rostigen Klinke der Eingangstür fehl.
    Der Junge begriff, dass nur ein außergewöhnlicher Einfall ihn davor retten konnte, in den Krallen des alten Magiers wahnsinnig zu werden oder den Dämonen als Beute in den Schoß zu fallen.
    Während Echtamor seine magischen Zeichnungen auf den schmutzigen Boden malte und seine Beschwörungen murmelte, versank Arruf immer tiefer in eine Art von Schlaf, wie er ihn niemals gekannt hatte. Das war schon der zwölfte Versuch des alten Magiers, ihn, Arruf, in das Reich der Dämonen zu schicken. Das Bewusstsein des Jungen sollte sich von seinem Körper lösen und ein Bote sein.
    An dreizehn Stellen des Raumes brannten die Flammen von Öllämpchen, die einen betäubenden Geruch absonderten. Die schmalen Rußfäden tanzten in langsam drehenden Spiralen aufwärts und vereinigten sich über dem harten Ruhelager des Jungen zu einem Muster, das seinen Verstand zu verwirren drohte.
    Immer wieder schlief Arruf ein, erwachte jäh wieder und fühlte, wie seine Widerstandskraft schwächer und schwächer wurde.
    Schon fünfmal hatte sich sein Verstand in einem fremden Land befunden, einem Land, voll von seltsamen Wesen, die sich in dem nebligen Halbdunkel bewegten und seltsame Dinge miteinander taten. Als er wieder erwacht war, zerschlagen und halb von Sinnen, musste er dem Magier Wort für Wort berichten, was er erlebt hatte auf seinem Weg durch die Traumwelt. Diese Vorstöße waren immer gefährlicher gewesen, sie hatten immer tiefer und weiter hinein in dieses Zwischenreich geführt.
    Diesmal beschloss Arruf, sich nicht mehr benutzen zu lassen. Er schloss die Augen und zwang seine Phantasie, statt an die Beschwörungen zu denken, sich andere, angenehmere Dinge vorzustellen.
    Trotzdem glitt er wieder aus seiner Welt hinaus und befand sich nach einem Zeitraum, von dem er nicht sagen konnte, wie lange er dauerte, vor einem Dämon.
    Dieser Dämon, eine undeutliche graue Masse mit Hunderten verschieden großer, in verschiedenen Farben leuchtender Augen, bewegte Teile seines Körpers wie dünne Tentakel und griff nach Arrufs Schulter. Ein lautloser Dialog, der nur in Arrufs Gedanken stattfand, fing an. Arruf erklärte diesem eher freundlich wirkenden Dämon, dass Echtamor ihn zu beschwören trachtete, um aus dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen sich und dem Dämon Vorteile zu ziehen. Dann wagte Arruf etwas, das ihn das Leben oder den Verstand kosten konnte. Er nahm einen Tentakel in die Hand und bewegte sich auf seinem Weg zurück in die Zauberstube des Magiers.
    Durch die Kammer fegte plötzlich ein Wirbelwind.
    Die Kerzenflammen wurden ausgeblasen. Möbelstücke kippten und barsten. Eisige Kälte breitete sich schlagartig in dem Zimmer aus, in dessen Luft alle nur denkbaren Trümmer umherwirbelten. Aus einer Wolke griff langsam ein dünner Tentakel heraus, der immer deutlicher, immer dichter wurde und durch die Luft tastete, bis er den Körper des Magiers gefunden hatte.
    Arruf lag unbeweglich auf seiner Pritsche. Er erlebte trotzdem die Vorgänge mit, die sich in seiner unmittelbaren Nähe abspielten. Der Tentakel legte sich in mehreren Schlingen um den Körper des totenbleichen, zitternden Magiers, und dann schrie eine unhörbare Stimme: »Du willst dir einen mächtigen Dämon Untertan machen, Echtamor! Denke aber daran, dass wir nur den Gesetzen der wahrhaft Mächtigen unterworfen
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