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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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sind. Du gehörst nicht zu den Eingeweihten. Nur deshalb will ich dich nicht vernichten. Aber einen Denkzettel sollst du haben!«
    Die Tentakelspitze berührte mitten im Sturm die Stirn des Magiers. Echtamor stieß einen gellenden Schrei aus. Der Teil des Dämons zog sich wieder in das seltsame Zwischenreich zurück, der rasende Wirbelwind hörte auf.
    Arruf öffnete die Augen und sah, wie Echtamor zusammensank. Seine Augen waren leer, und seine Hände fuchtelten sinnlos durch die Luft. Arruf stand auf und bewegte sich aus dem magischen Stern hinaus. Er kam ungehindert bis zur Tür, und als er sie zu öffnen versuchte, baute sich vor ihm keine Sperre auf.
    Er öffnete die Tür und warf einen Blick zurück.
    Der Magier wirkte, als sei er verrückt geworden. Er hinderte ihn nicht daran, einige wichtige Dinge an sich zu raffen, sich einen Schinken über die Schulter zu werfen und langsam in die Nacht Sarphands hinauszugehen.
    »Auch dieses Kapitel ist zu Ende!« sagte Arruf fast fröhlich, pfiff ein Liedchen und suchte sich seinen Weg in die diebische Unterwelt von Sarphand.
    Es war weit nach Mitternacht.
    Die Stadt und der Palast des Croesus lagen in tiefster Ruhe. Noch standen die Sterne über Sarphand, aber die schmal gewordene Sichel des Mondes neigte sich bereits wieder dem jenseitigen Horizont zu. In dem reich geschmückten Raum, in dem Mythor schlief, brannte nur eine Öllampe. Ein kühlender Nachtwind bewegte die dünnen weißen Vorhänge. Mythor streichelte die nackte Schulter des Mädchens und murmelte schläfrig: »Dann kennst du also Croesus oder Arruf gut, Sadyn?«
    Sie flüsterte, die Lippen dicht an Mythors Ohr, zurück: »Jeder von uns kennt ihn und würde für ihn sterben.«
    »Das ist aber nicht typisch für Palastdiener, meine ich«, sagte in gutmütigem Spott der Recke und wusste im gleichen Augenblick, dass es auch nicht zur Gewohnheit zählte, dass Palastdienerinnen schweigend in die Zimmer huschten und dem Gast gestanden, dass sie sich seit dem Augenblick, als er den Palast betreten hatte, nach seiner Umarmung gesehnt hatten.
    »Da magst du recht haben.« Ihre Finger fuhren über seine Haut und erzeugten ein Gefühl aufregender Wärme. »Aber wir sind nicht nur Diener. Wir sind seine Freunde, seine Vertrauten.«
    »Ihr alle?« fragte Mythor mehr als verwundert. Dieser Mann wurde ihm langsam unheimlich!
    »Ja. Wir alle. Wir sind frei und bewegen uns in völliger Sicherheit. Croesus oder Arruf oder meinetwegen auch Luxon kommt stets dann in den Palast zurück, wenn er sich erholen muss, wenn er Wunden des Körpers oder des Geistes auszukurieren hat, wenn er sich verstecken muss. Mich hat er aus den Fängen der Sklavenhändler befreit, eine andere Frau rettete er von einem brennenden Hausboot, seinen schweigsamen Wachen hat er Geld, Besitz und begehrenswerte Frauen verschafft. Noch niemals hat uns Arruf hintergangen. Er würde es auch niemals tun. Denn unserer absoluten Treue ist er sicher.«
    Staunend hatte Mythor zugehört. Ein Lichtreflex ließ seine Augen bernsteingelb schimmern. Er zog Sadyn an sich und fragte weiter: »Dann kennst du auch seine Geschichte, als er dem Magier entkommen war?«
    »Jeder von uns kennt sie. Einige der Diebe aus der Jungenbande sind hier im Palast.«
    »Darfst du mit mir darüber sprechen, Sadyn?«
    »Luxon hat nichts dagegen. Er hätte euch diese Geschichte morgen freiwillig erzählt. Ich weiß, dass ihm viel daran liegt, Kalathee von seiner Wahrheitsliebe zu überzeugen… und dich auch, Mythor.«
    »Bei mir wird es schwieriger sein«, bekannte der breitschultrige Mann und schob sein dunkles Haar in den Nacken. Er blickte bewundernd den vollkommenen Körper der jungen Frau an und griff mit der freien Hand nach dem Becher.
    »Einer der heutigen Wächter erzählte es mir«, fing Sadyn an und lächelte. »Arruf fand schnell wieder Anschluss an seine eigene Bande. Aber inzwischen waren er und die anderen Jungen älter geworden. Auch einige Abtrünnige von König Aagolfs Bande waren zu ihnen gestoßen, und zusammen mit Arruf stahlen sie sich innerhalb der Zunft bis an die Spitze empor.
    Sie waren so erfolgreich, dass Arruf damals bereits den Grundstock zu seinem Vermögen legte. Er kaufte diesen Palast von einem heruntergekommenen Kaufmann. Nun fingen auch die Mädchen und Frauen an, sich nach dem schlanken, jungen Mann mit dem gewinnenden Lächeln umzudrehen. Eine Hetäre verführte ihn, und zum Dank stahl Luxon nur ein wenig von ihrem Besitz; er konnte es einfach nicht
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