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Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde
Autoren: Stefan Wolf
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und klingelte.
    Heribert Kulse öffnete die Tür.
Der Geruch von Wodka schwallte ins Freie. Kulse war unsicher auf den Beinen,
stützte sich am Türrahmen ab und glotzte Schrottleben an aus blutunterlaufenen
Augen. Der große Boss des Drogenhandels war alt. Eine gebeugte Gestalt, ein
Gesicht voller hängender Falten — aber der Blick hatte nichts von seiner
gnadenlosen Kälte verloren.
    Kulse war stolz darauf, dass er
Drogen nie auch nur gekostet hatte. Das überließ er den willensschwachen
Versagern, die ihm durch ihren Rauschgiftkonsum zu seinem riesigen Vermögen
verholfen hatten. Kulse war lediglich dem Alkohol zugetan. Nach seiner
Auffassung war das keine Droge, sondern ein fröhliches Getränk. Und einmal in
der Woche wollte er fröhlich sein. Donnerstags. Weil er den Donnerstag für
seinen Glückstag hielt. Den Donnerstag verbrachte Kulse mit zwei Flaschen
Wodka.
    „Bauer?“, meinte er ungnädig.
„Was willst du? Heute ist Donnerstag. Da werde ich nicht gestört. Oder hast du
dein Geld nicht gekriegt?“

    „Darum geht’s nicht.“
    Der Kommissar ging an ihm
vorbei, als wäre er hier zu Hause. Absichtlich hinterließ er den Dreck seiner
Schuhsohlen auf dem sündteuren Teppich. Der bedeckte die Marmorfliesen der
Eingangshalle. Hinter der Tür standen drei Paar Schlosspantoffeln — also
riesige Filzschlappen, in die man samt Straßenschuhen schlüpft — damit der
wertvolle Teppich geschont wird. Kulse hasste Schmutz auf seinen Teppichen. Die
wenigen Personen, die sein Haus betreten durften, mussten in die Pantoffeln.
    „Sondern?“
    Er sprach, ohne zu lallen. Aber
beim Umdrehen hätte es ihn fast umgeworfen. Er torkelte und musste sich an die
Wand stützen.
    „Meine Kollegen“, sagte
Schrottleben, „haben dich wieder im Visier. In den nächsten Tagen holen sie
dich zum Verhör.“
    Der Alte grinste. „Das wie
vielte Mal wäre das? Mein Anwalt wird mich rausholen wie immer. Aber du bist
nervös, was? Könnte ja sein, dass ich eines Tages schlapp mache — im Verhör —
oder mich verquatsche. Dann fliegst du auf, Bauer. Als so ‘ne Art stiller
Teilhaber.“
    „Du verpfeifst alte Freunde
nicht. Außerdem war ich nie dein Teilhaber.“
    „Indirekt schon. Wäre doch eine
Sensation. Seit Jahren verrät Kommissar Bauer-Rottleben bevorstehende Maßnahmen
der Polizei. Von jeder Razzia wusste und weiß ich. Immer kann ich rechtzeitig
handeln. Und für die Tipps bezahle ich dich fürstlich. Jaja, du bist die
undichte Stelle im Präsidium.“
    Das geht mir am A... vorbei,
dachte Schrottleben. Doch jetzt hob er lauschend den Kopf. „Hast du Besuch?“
    „Mensch, du hast die Pantinen
nicht an!“, brüllte Kulse. „Du verdreckst mir den Teppich.“
    „Ob du Besuch hast?“
    „Nein, habe ich nicht.
Donnerstags nie. Zieh die Pantinen an!“
    „Hinten im Haus war ein
Geräusch.“
    „Du sollst die Pantinen
anziehen“, schrie Kulse. „Siehst du nicht, was du anrichtest?!“
    Idiot!, dachte der Kommissar.
Aber er stieg in die Filzschlappen.
    „Hinten hat was geklirrt.“
    Der Drogenboss hatte sich auf
den Teppich gekniet und strich mit den Fingern schwarze Erdkrumen, zertretene
Blätterreste und einen Schnipsel Silberpapier zusammen.
    „Der Teppich muss gereinigt
werden. Die Kosten ziehe ich dir ab. Hinten ist ein Fenster offen. Manchmal
brauche ich frische Luft.“
    „Ich seh nach.“
    Schrottleben kannte das Haus.
In den meisten Räumen war er schon gewesen, natürlich mit Pantoffeln an den
Füßen.
    Am Ende eines Flurs, der zur
Hintertür führte, war zwischen diesem Eingang und der Gästetoilette tatsächlich
ein schmales Fenster geöffnet. Draußen legte sich eine frühe Dämmerung über den
hinteren Teil des parkgroßen Grundstücks.
    Schrottleben beugte sich hinaus
und blickte nach beiden Seiten. Irgendwas beunruhigte ihn. Auf seine Empfindung
konnte er sich meistens verlassen. Doch er sah nichts Verdächtiges.
    Als er den Kopf zurückzog,
vermeinte er, den schwachen Duft eines Parfüms wahrzunehmen. Hatte der Alte
Damenbesuch? Sicher nicht. Vielleicht lag in der Toilette eine stark duftende
Seife.
    Schrottleben streckte schon die
Hand aus zur WC-Klinke, um nachzusehen, unterließ es dann aber, weil Kulse in
diesem Moment was Unverständliches rief.
    Schrottleben skatete auf den
Pantinen zurück. Was ein Riesenglück war für Helga Drewes, die frisch gebackene
Komplizin des Meisterdiebs.
    Vor wenigen Minuten war sie
durch das einladend geöffnete Fenster eingestiegen. Zu ihrer Überraschung
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