Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
eingeschätzt worden und Schrottleben als Wirt. Null Ähnlichkeit
zwischen den beiden. Ludwig war kantig, bewegte sich rasch, hatte einen
stechenden Blick und strichdünne Lippen. Wenn Kollegen von ihm redeten, hieß er
nur der Hartknochen. Er wusste das und bezog es zu Recht auf seine rüden
Methoden, anderen das Wasser abzugraben.
    Schrottleben sah sich um,
obwohl er alles längst kannte.
    Dicke Mauern, wuchtige Säulen,
Nischen, Eichentische, die aber weiß und mit viel Silber gedeckt waren. Die
Lampen hingen tief und waren aus Kupfer. Man fühlte sich wie in einer Schänke
für den Adel so um 1820.
    Sie setzten sich an einen
Tisch.
    „Willst du was trinken,
Wilhelm?“
    Schrottleben schüttelte den
Kopf. „Ich komme gerade von Kulse. Bei dem die Luft zu atmen, ist wie drei
doppelte Wodka.“
    Ludwig nickte und kam zum
Thema. „Wie ich dir sagte — ich werde erpresst. Schutzgeld. Von dir weiß ich —
und du weißt es von Glockner dass die Italiener erpresst werden. Vermutlich.
Aber die Gangster beschränken sich nicht auf die Pasta-Köche. Wilhelm, das
greift um sich. Das wird zur Seuche.“
    „Scheint so.“
    „Scheint so, scheint so! He,
wozu habe ich einen Bruder bei der Polizei?“
    „Was stellst du dir vor? Beim
Roma und beim Tivoli tappen noch alle im Dunkeln.“
    „Dreimal hat man mich
angerufen. Immer dieselbe Stimme. Dreimal habe ich dem Kerl gesagt, dass ich
ihn und seine Konsorten mit dem Hackmesser bearbeite, wenn man mir dumm kommt.
Wilhelm, ich denke nicht daran, denen auch nur einen Euro zu zahlen. Mit mir
kann man das nicht machen.“
    „Und?“
    „Sie wollen mir noch eine
Chance geben, Vernunft anzunehmen. So drückt es der Kerl aus, der mich anruft.
Okay, ich werde so tun. Und ich werde sagen, dass ich wissen will, mit wem ich’s
zu tun habe. Sie sollen jemanden herschicken — spätabends, wenn die Gäste
gegangen sind.“
    „Darauf gehen die nicht ein.“
    „Vielleicht doch. Ich glaube,
die fühlen sich riesig.“
    „Und dann, Ludwig? Willst du
einen Sondertarif aushandeln?“
    Der Wirt, der eher aussah wie
ein abgehalfterter Fußballtrainer, grinste. Dann erklärte er Schrottleben, was
er sich vorstellte.

6. Sieglinde, die spuckende Witwe
     
    Wegen der vergrippten
Kunstlehrerin fielen am Freitag die beiden letzten Schulstunden aus. Das war
seit gestern bekannt in der 9b. — Aber, dachte Tim, selbst wenn Dr. Sabine
Artfein plötzlich gesundet wäre — auf uns hätte sie verzichten müssen. So
herrlich Kunstgeschichte auch ist — Maßnahmen gegen Schutzgeld-Erpressung haben
Vorfahrt.
    Jetzt — noch vor dem 12-Uhr-Läuten
— lauerten TKKG in der Nauberring-Straße, in Sichtweite des Che Italia. Sie
standen in einem Hausdurchgang, der zu einem Hinterhof führte. Oskar war nicht
dabei, aber jeder hatte sein Bike. Von Lucia wussten TKKG, dass ihr Vater immer
zu Fuß loszog, wenn er das Schutzgeld zum toten Briefkasten brachte. Sogar bei
Regenwetter. Vermutlich war der Weg nicht allzu weit.
    Gaby stand ganz vorn und spähte
um die Mauerkante. Nur Tims Freundin kannte Luciano Corsa.
    „Tausend Euro jede Woche“,
sagte Tim. „Ein Schweinegeld. Das muss erst mal verdient sein. Erpressung ist
wie Raub, nur feiger. Mir würde sich der Blinddarm umdrehen vor Wut — wenn ich
so mein Geld verliere.“
    „Einser Taschengeld“, meint
Karl, „ist uninteressant für Erpresser. Kleinrentner und unsereins sind vor
denen sicher.“
    „Die aber nicht vor uns“,
erwiderte Tim durch die Zähne.
    „Er kommt!“, rief Gaby.
    Jetzt spähten auch die Jungs.
    Ein Mann war aus der Pizzeria
gekommen: mittelgroß, schlank, dunkelhaarig, mit schmalem Gesicht. Tim schätzte
ihn auf Anfang vierzig. Er trug einen olivgrünen Regenmantel, der bis an die
Knöchel reichte, und stülpte sich jetzt einen dunklen Hut auf den Kopf — mit
viel zu breiter Krempe. Für diesen Hut hätte Luciano Corsa mindestens 190 cm
groß sein müssen.
    „Starke Mütze“, meinte
Klößchen. „Ersetzt Sonnenbrille und Regenschirm.“
    Lucias Vater kam in ihre
Richtung. Den Kopf hielt er gesenkt. Trotzdem wichen TKKG in den Durchgang
zurück. Corsa ging auf der anderen Straßenseite.
    Tim sah sein Gesicht im Profil.
Total depresso, dachte der TKKG-Häuptling, wie auf dem Weg zu ‘ner Beerdigung.
— Sie folgten ihm, schoben ihre Bikes und hielten genügend Abstand. Corsa sah
sich nicht um.
    Die Vermutung, es sei nicht
weit, erwies sich als Irrtum. Corsa brauchte offenbar einen langen Spaziergang,
um Frust und Wut auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher