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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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heranwuchs.
    Zweiter Akt: Der Bildhauer Pomistokle fertigte eine lebensgroße Marmorstatue an, die Lunarda als nackte Aphrodite darstellte, und bot dieses Kunstwerk dem König Damasceno an. Der kaufte sie, verliebte sich in sie und wollte nun unbedingt das Original kennenlernen. Er fuhr also verkleidet als sein eigener Gesandter unter dem Namen Thomosio an den feindlichen Hof, um Friedensverhandlungen anzuknüpfen.
    Dritter Akt: Es kam, wie es kommen mußte, die Prinzessin Lunarda verliebte sich ihrerseits in den angeblichen Thomosio. Der warf sozusagen seine Maske ab, gab sich als König von Frighia zu erkennen, erklärte großartig, den alten Streit zwischen Frighia und Tauria beenden zu wollen, und warb um Lunarda, die vermeintliche Prinzessin. Aber der tückische König Ercolio glaubte ihm nicht und ließ ihn ins Gefängnis werfen.
    Vierter Akt: Die liebende Lunarda verkleidet sich als Mann und nimmt Dienst beim Kerkermeister an …
    »Holla!« flüsterte der Meister , »was es nicht alles gibt. Beethoven kann wohl nicht gut diese Lunarda gekannt haben. Aber vielleicht kannten Sonnleithner und Bouilly, die beiden Librettisten Beethovens, jenen Text des Calabassi?«
    »Wer weiß«, sagte Carlone, »Lunarda hier, Leonore dort.«
    »Ein Plagiat geht oft seltsame Wege«, sagte Helene.
    … und ist drauf und dran, ihren Geliebten zu befreien, da erscheint aber Gott Amor und verkündet, daß Lunarda in Wirklichkeit nicht die Tochter des Königs Ercolio ist, sondern eben leider Damascenos uneheliches Kind, worauf die beiden zunächst in je eine Trauerarie versinken, dann aber – in einem der wenigen Ensembles des Stückes – im Terzett zusammen mit Amor das Wiedersehen von Vater und Tochter feiern.
    Fünfter und, Gott sei Dank, letzter Akt: Der bislang tückische König Ercolio ist gerührt von der Standhaftigkeit Lunardas und überhaupt nicht so schlimm und böse, schließt Frieden mit dem Nachbarn und will jetzt seinerseits zur Besiegelung der neuen Freundschaft Lunarda, die ja nun quasi Prinzessin und Erbin des Königreichs Frighia ist, heiraten. Da ertönen neuerlich die (schlecht gestimmten) barocken Originalpauken, und Gott Apoll erscheint und erklärt, daß Damasceno doch nicht der Vater Lunardas ist, sondern: wer? Er , er selber. Er selber habe sich in der Gestalt Damascenos der Schwester des Königs genähert … So sinken Lunarda und Damasceno letztendlich doch einander in die Arme …
    *
    Danach gab Professor Amtobel in einem schönen alten Gasthaus am Markt für alle eine Runde Sekt zur Feier seiner Beförderung zum Oberleutnant aus. Es war eines der in jener Gegend nicht seltenen Gasthäuser, die man im guten Sinn altfränkisch nennen kann. Die Bratwürste waren von Sonderklasse.
    Die Stimmung war aber getrübt. Der Meister merkte nicht, daß Amtobel wegen unserer Bemerkungen über diese Lunarda vergrätzt war. Der Wiederentdecker und Ausgräber der Oper war ein von Amtobel hochgeschätzter Kollege, und wenn man genauer ins Programmheft geschaut hätte, wäre zu bemerken gewesen, daß die Inhaltsangabe von Beat Amtobel stammte.
    »Man muß nicht alles ausgraben«, sagte Carlone, »es gibt Dinge, die man in Frieden ruhen lassen soll.«
    Der Meister , voll Zorn nicht nur über die nervtötende Folge von Arie auf Arie, eine länger als die andere, eine kaum von der anderen wegzukennen, und über das Fehlen fast jeglichen Ensembles, sondern auch über die gnadenlosen Originalinstrumente, wetterte über die grausig verstimmten Darmsaiten der Barockviolinen, über die ohrenbetäubenden Mißtöne der Naturhörner, über den Unfug der Heißluft pfeifenden Gamben, und daß man sich zur Verwendung eines Undings von Chitarrone verstiegen und den Damasceno mit einem der damals leider in Schwang kommenden Countertenöre besetzt hatte, der seine heiseren Koloraturen »in meine unschuldigen Ohren trillerte«. So der Meister wörtlich.
    »Biomusik«, sagte Carlone.
    Amtobel bezahlte den Sekt, ließ die Hälfte seines Schnitzels stehen und verabschiedete sich kühl.
    »Ja«, sagte ich in der Madonna , »das mit der Biomusik ist inzwischen eher noch schlimmer geworden.«
    »Der Witz«, sagte Carlone, »daß der berühmte Dirigent, ich nenne keinen Namen, gestorben sei, weil er sich mit barocken Originalinstrumenten operieren hat lassen, hat einen tiefen Sinn. Selbstverständlich ist es interessant zu wissen, wie die Musik damals geklungen hat …«
    »Wirklich? Muß man das wirklich wissen?«
    »Ja, doch. Damit man
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