Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
Vom Netzwerk:
Rohrdörfer.
    »Ein Rechtsanwalt hat mich angerempelt.«
    »So rauhe Sitten?«
    »Ich darf nicht lachen«, sagte Winter, »aber: Es war nicht im dienstlichen Verkehr. Beim Fußball. Ministerium gegen Rechtsanwaltskammer. Und wir haben auch noch 4 : 1 verloren.«
    So also lernte die schöne Helene Romberg, nunmehr verehelichte Winter, den Monsignore Rohrdörfer kennen, was Jahre später zu, nun ja, »Weiterungen« führen sollte. Winter war öfter bei den berühmten Champagnerfrühstücken dabei, die bei feierlichen Gelegenheiten nach dem Hochamt in dem erwähnten butzenscheibigen Pfarrhaus im kleinen Kreis stattfanden. Hochamt um neun Uhr, immer mit großer Musik, mindestens eine Missa brevis von Mozart; Rohrdörfer hatte hervorragende Beziehungen zu den Philharmonikern und zur Oper – zu Ostern nichts Geringeres als Gounods Cäcilien-Messe , Rohrdörfers Lieblingsstück –, dann um halb elf Uhr der kleine Kreis in der Butzenscheibe. »Und daß Sie mir die leeren Flaschen nicht, sondern weiter vorn am Rondell – Sie wissen schon.« Selbstverständlich war auch Peterl immer dabei. In der Messe nicht, obwohl – aber davon später. Während der Messe wartete der Peterl entweder in der Sakristei, saß auf einem der hohen Paramentenschränke (fingerdick Staub dort oben – trotzdem war Peterl nie staubig, wenn er herunterkam: Katzen sind schmutzabweisend) oder er feierte seinen eigenen Gottesdienst im Pfarrgarten oder auf dem Friedhof weiter hinten, dem wohl die eine oder andere Maus und wohl leider auch mancher Vogel als Weihegabe zum Opfer fielen.
    So ergab sich gesellschaftlicher Verkehr zwischen der Familie Winter (einen Sohn brachte Helene zur Welt, Amadeus) und Pfarrer Rohrdörfer. Sprach es für den Pfarrer? Er sagte nie ein Wort, obwohl er es wußte, denn Helene hatte es ihm selber erzählt: Sie war ein Heidenkind. Nicht getauft. Tochter einer strikt agnostischen Familie. Kein Wort sagte der Pfarrer, ließ sich nichts anmerken. Oder war da nichts, was anzumerken gewesen wäre? Dachte Rohrdörfer mit dem alten Nestroy, den er hoch schätzte:
    »Ja, die Zeit ändert viel«?
    Sie änderte viel.
    *
    Der Meister kam, so verzahnen sich die Lebensläufe, ganz unabhängig davon und auf ganz andere Weise mit dem Monsignore in Verbindung. Professor Goblitz wohnte einen Steinwurf weit vom Pfarrhaus entfernt in derselben Straße, war vor allem aber im gleichen Rotary-Club mit dem Monsignore.
    »Ein Monsignore im Rotary-Club?« fragte Carlone.
    »Auch das erzeugte ein Stirnrunzeln im Ordinariat, aber – warum nicht? fragten sich sowohl Rohrdörfer als auch die Rotarier. So wurde Rohrdörfer Mitglied dieser exklusiven Vereinigung, für ein Jahr sogar Präsident. ›Muß das sein?‹ fragte einmal ein Cardinal mit seiner hohen Kastratenstimme den Pfarrer. Erinnerst du dich an den Witz? Die Mutter des Cardinals habe gesagt, sie habe zwei Töchter – eine sei in Würzburg verheiratet, die andere Cardinal in Rom.«
    Bei einem der wöchentlichen Treffen erzählte der Pfarrer beim Essen, er habe gehört, Brahms habe – man staune bei diesem freigeistig-evangelischen Mann – eine katholische Messe geschrieben, die nie aufgeführt worden sei, weil Brahms sie unter Verschluß gehalten habe.
    Zufällig saß Goblitz neben Rohrdörfer. »Wenn einer das weiß, dann ein Doktorand in meinem Institut. Sein Name ist mir im Moment nicht geläufig. Der Mann aber weiß alles …«
    Pfarrer Rohrdörfer war sofort elektrisiert, bat Goblitz inständig, die Verbindung zu jenem Doktoranden herzustellen, jagte Telephonanruf um Telephonanruf in den folgenden Tagen dem Professor hinterher, bis der sich endlich dazu bequemte, insoweit seine privaten Angelegenheiten mit denen des Instituts zu vermischen, als er seinen Hauptassistenten Dr. Rosenfeld beauftragte, Name und Adresse des Meisters dem Pfarrer mitzuteilen.
    Rohrdörfer lud den Meister zur nächsten feierlichen Messe und zum nachfolgenden Butzenscheibenfrühstück ein – mit Champagner, wofür der Meister ja nicht ganz unempfänglich war. Auf die Frage nach der lateinischen Messe von Brahms antwortete der Meister ohne eine Sekunde des Nachdenkens, daß – erstens – Herr Professor Goblitz das hätte wissen müssen (wußte es aber nicht) und daß man bloß im Brahms-Werke-Verzeichnis von McCorkle nachzuschauen brauche. Er erinnere sich sogar, habe der Meister damals gesagt, auf so etwas gestoßen zu sein … bei seiner Lektüre des Werkverzeichnisses … Gibt es so etwas, daß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher