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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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vor das Haus des Tofandor getreten sei und hinter einem starken Eisendrahtzaun, mit zusätzlichem Stacheldraht obendrauf, den Komponisten in eine alte braune Cordhose gekleidet und mit einem langen roten Gartenschlauch den Garten wässernd, vorgefunden habe. Es wird dann ausführlich geschildert, daß Tofandor zunächst mürrisch und abweisend gewesen sei, nahe daran, den unerwünschten Besucher naßzuspritzen. Dann aber habe er das tiefe Interesse Kladderatsch’ an seinem Werk erkannt und ihn hereingebeten. Ich habe den Artikel mit dem Meister gemeinsam gelesen, wir haben uns schiefgelacht. Es folgte die Schilderung eines langen, tiefsinnigen Gesprächs, in dem Tofandor und vor allem Kladderatsch kostbare Meinungen über Kunst und Geist von sich gaben.
    ›Irgendwoher‹, hatte damals der Meister gesagt, ›kenne ich diese Szene: der Mürrische hinter dem Gitterzaun, den Garten wässernd. Irgendwo habe ich das schon gelesen.‹ Viele Jahre später, lange nach dem Tod des Meisters , bin ich darauf gestoßen: Dieser Kladderatsch hat nicht nur die Stirn gehabt, das Ganze da zu erfinden, er hat diese ganze Situation abgeschrieben – bei Arno Schmidt. In Kühe in Halbtrauer . Sogar den roten Schlauch und die braune Hose hat der Journaltropf abgekupfert. Ja. Arno Schmidt. ›Trotzreemtsma, um arnoschmidt’sch zuReden, unter – schädsd. Ich würTihm postum 3mal denNobelpreißß pferlein.‹
    Nun aber: Ein literarisch belesener Staatsanwalt hat das Kladderatsch-Elaborat gelesen und ist auf die beliebte Dienstreise gegangen. Nach Eppan in Südtirol. Es hat so ziemlich nichts gestimmt, nur der Eigentümer oder Besitzer oder Bewohner des Hauses hat tatsächlich den Garten gewässert. Und den Staatsanwalt vollgespritzt. Sich später dann entschuldigt. War natürlich nicht Tofandor.
    Auch ich wurde selbstverständlich vernommen, als ein enger Freund des Toten. Ich versicherte, daß es Thremo Tofandor nicht gab, daß der Meister ihn erfunden hatte. Man glaubte mir nicht, und so jagte man einem Phänomen nach, das offenbar absichtlich ein sozusagen negatives Alibi konstruiert hatte: Er und nur er konnte es gewesen sein, der dem Opfer das Gift beibrachte.
    Ich mußte auch mit zwei Kriminalern in des Meisters Dachkammer. Ob etwas fehle? Nein, soweit ich sah. Ein Raubmord ohnehin angesichts aller Umstände ausgeschlossen. Die geringe Barschaft unberührt in des Meisters Jackentasche. Der einzige Wertgegenstand, eine schöne goldene Sprungdeckeluhr (ein Erbstück von des Meisters Vater), lag auf dem Stuhl neben dem Bett.
    Wer konnte Interesse am Tod des Meisters haben? Die geschiedene Frau, klar. Auch ich hatte nicht hinter dem Berg mit den – milde gesagt – Spannungen gehalten, die zwischen den Exeheleuten geherrscht hatten. Aber Emma hatte ein überaus hieb- und stichfestes Alibi: Sie war inzwischen in der Redaktion einer Provinzzeitung in ihrer schwäbischen Halbheimat untergekommen. Sie und ihr neuer Freund, der Juniorchef eines größeren holzverarbeitenden Betriebes, waren zur betreffenden Zeit bei einem Umweltkongreß in Ravensburg, über den Emma berichten sollte.
    Ein Mord ohne Mörder«, schloß Carlone, »und jetzt brauche ich noch einen Fernet Branca.«
    Kein Wunder, dachte ich.
    *
    Wir trafen einander am Tag drauf noch einmal, hatten uns in der Bar Algiobarò verabredet, an den Fondamenta Nuove, nahe der Anlegestelle des Boots zum Flughafen, Carlone schon mit dem Koffer, hatten es aber so geplant, daß noch Zeit für einen Spritz war.
    »Was ich erst viel später erfuhr«, sagte Carlone, »ist, daß die Raimer neben dem Holzmenschen noch einen heimlichen Freund hatte, einen pensionierten Oberstudienrat von etwa siebzig Jahren. Seinen Namen habe ich nie erfahren, dennoch ging ich zur Polizei. Man interessierte sich nicht mehr dafür, der Fall war schon ad acta gelegt: wahrscheinlich Selbstmord aus Verzweiflung. Noch später fiel mir ein weiteres Detail ein: Es fehlte nämlich, rekonstruierte ich, doch etwas, nämlich die Handschrift des Meisters von ›Emmas‹ Dissertation. Auch dafür interessierte sich die Polizei nicht. Aber jetzt kommt, glaube ich, mein Boot. Ci vediamo a Venezia .«
    *
    Nach der Beerdigung des Meisters , bei der, das muß man ihm lassen, der Göttliche Giselher eine berührende Grabrede hielt, ging ich mit Carlone und noch ein paar Freunden auf ihre Einladung zu Helene Romberg in die Wohnung im Rondell. Im Flur hing jetzt neben dem bewußten Bild eine Photographie Rohrdörfers: im Ornat,
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