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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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inzwischen Deutschland das Ausland ist. Ich lese keine ausländischen Zeitungen.«
    »Tofandor kam wieder. Er war diesmal freundlicher, trank sogar eine Tasse Tee, sprach übers Wetter. Vergeblich versuchte der Meister die Rede auf die Musik zu bringen, Tofandor winkte ab.
    Eine entscheidende Rolle spielte bei den nachfolgenden Ermittlungen der dritte Besuch Tofandors beim Meister . Tofandor, wer immer sich hinter dieser Maske verbarg – oder doch ein echter Tofandor? Oder ein Gespenst? –, läutete wieder bei der Generalin unten, bat in vollendeter Höflichkeit um Entschuldigung für die Störung, erklärte, daß er leider Herrn Wibesser oben nicht angetroffen habe, er lasse seine Karte da:
    Thremo Tofandor
    Komponist – Compositeur
    Tel. 4447077
    (es wird aber nicht abgehoben)
    Genauso eine kuriose Visitenkarte hatte der Meister einmal drucken lassen und juxhalber verteilt.
    Kurz nachdem Herr ›Tofandor‹ sich von der Generalin verabschiedet hatte, ging – so die späteren zeitlichen Überlegungen – bei der Polizei ein anonymer Anruf ein, daß in der Wohnung Sowiesostraße Nummer sowieso im obersten Stock eine Leiche liege. Des Meisters Adresse.
    Die Tür war offen, der Meister in seiner Dachkammer tot auf dem Bett liegend. Vergiftet. Auf dem Tisch zwei Gläser und eine angebrochene Flasche Portwein. In einem der Gläser Spuren eines rasch wirkenden Giftes.
    Tofandor – die Suche begann. Die Kriminalpolizei sah sich plötzlich in die Musikwissenschaft verstrickt. Zwei Adressen: eine in Eppan in der Provinz Bozen, eine in Attnang-Puchheim. An keiner der Adressen wohnte oder hatte je ein Thremo Tofandor, auch kein Ralf Schlierenzer gewohnt. Die Telephonnummer auf der Visitenkarte war rätselhaft. Die Polizei machte sich viel Mühe: Auf der ganzen Welt paßte die Nummer, wenn man die entsprechende Vorwahl anfügte, nur auf ein Schuhgeschäft in Sao Paulo. Die brasilianische Polizei observierte monatelang dieses Schuhgeschäft, aber ein Mann, auf den die – höchst ungenaue – Beschreibung der Generalin oder die vielfach divergierenden Bilder (darunter sogar eines von Andreas Hofer) paßten, die in diversen Arbeiten über Tofandor abgedruckt waren, tauchte nicht auf.
    Dutzende von Verdächtigen wurden vernommen, Männer, die den etwa fünfzehn Bildern glichen, die die mehr oder weniger gutgläubigen Fortsetzer von des Meisters Fälschung ihren mehr oder weniger ausführlichen Tofandor-Aufsätzen und -Biographien beigegeben hatten. Hinter was man da alles kam! Hatte da einer das verfremdete, spiegelverkehrte Photo seines von ihm gehaßten Schwiegervaters verwendet, ein anderer ein Jugendbildnis Anton Bruckners, wieder ein anderer hatte sein eigenes, bis zur Unkenntlichkeit mißlungenes Paßphoto verwendet, eine besonders freche Fälschung war ein mit einem Spitzbart versehenes en-face-Bild von Adorno. So wurde auch Adorno verdächtigt. Der war aber schon tot. Ein offenbar durch den ganzen Palawatsch irre gemachter Journalist meldete, daß Adorno von Tofandor umgebracht worden sei …
    Und so fort.
    Peinlich wurde es für einen Menschen aus Wibbelsfleth, der Todanfor hieß, mit Vornamen allerdings Ybbo. Der kam sogar für einige Tage in Untersuchungshaft. Es stellte sich freilich heraus, daß dieser Todanfor nichts mit dem Mord zu tun hatte, gleichzeitig kam aber ans Licht, daß der Mann seit Jahren Holzschuhe fälschte, das heißt, solche herstellte und als echte holländische verkaufte – dabei stammten sie nur aus Wibbelsfleth.
    Aber es gab noch ganz andere Sachen«, sagte Carlone. »Ein stark phantasiebegabter Kriminaler befragte die alte Generalin so lange, daß sie seine Vermutung, beim Mörder Tofandor handle es sich um eine verkleidete Frau, als möglich bestätigte. Es erhob sich danach die Frage: War nur der Tofandor, der den Mord begangen hatte, als Frau verkleidet, oder war überhaupt der ganze Tofandor eine verborgene Frau? Es soll lang darüber nachgedacht worden sein. Ergebnislos.«
    »Verwirrung stiftete«, fuhr Carlone fort, »der Hinweis auf einen zu Lebzeiten des Meisters erschienenen, mehr feuilletonistischen Aufsatz des Kulturjournalisten Kladderatz (oder so ähnlich) in einer großen deutschen Wochenzeitung: Ein Besuch bei einem außerhalb der Zeit . Es ist jener Kladderatz, auf dessen Webseite zu lesen ist, er sei ›ein Weltfresser, Stier und Torero zugleich‹. Darin schilderte dieser Kladderatsch (oder so ähnlich), wie er nach Eppan in Südtirol gefahren sei, unangemeldet
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