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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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gefallen; die schlimmste Vorstellung, die an Rohrdörfer nagte: Peterl als hilfloses Objekt bei Tierversuchen. Rohrdörfer wetterte oft, öffentlich und sogar in Predigten, gegen Tierversuche, war in entsprechenden Vereinen engagiert, marschierte – im Ornat! auch höheren Orts nicht gern gesehen – bei Demonstrationen mit.
    »Es ging so weit«, sagte Carlone in der Madonna , »es ging so weit – mm, hervorragend diese Krebssache. Solltest du auch probieren.« Es ging so weit – das ist eine längere Sache. Er, Rohrdörfer, dopte seinen Duz- und Studienfreund, den nunmehr Curiencardinal, mit dem Tierschutzgedanken. Und da gab es einmal eine Bischofskonferenz in Rom, noch unter Johannes Paul  II . Monsignore Rohrdörfer war als Berater dort. Er ließ nicht locker, bis nicht die Bischofskonferenz eine in den Augen Rohrdörfers allerdings nur »halbscharige« – hochdeutsch: halbherzige – Resolution etwa des Inhalts erließ: »… auch Tiere sind Geschöpfe Gottes, müssen als solche respektiert und dürfen nicht gequält werden, sie sind aber nicht erlösungsfähig und auch nicht erlösungsbedürftig …« – was die BILD -Zeitung zu der Schlagzeile veranlaßte: »Päpstliche Bischofskonferenz: Auch der Hund kommt in den Himmel.«
    »Daß Peterl in den Himmel kommt«, sagte Carlone in der Madonna , »davon war Rohrdörfer tiefstinnerlich überzeugt. In vollem, unverrückbarem Ernst sagte er einmal zu mir und hielt mich dabei am Rockaufschlag fest: ›Und ich sage Ihnen, ich sehe meinen Peterl drüben wieder …‹«
    *
    »Nein«, sagte die schöne Helene Romberg, als ich vor jenem Bild stutzte und lachte, »der Übergang vom Ex-Winter hierher ging fließend.« Es gab, erfuhr ich, einen, wie Helene sagte, »Zwischenmenschen« bei ihr. Wir saßen, es war eins der letzten Male, in Helenes Wohnzimmer nach dem Abendessen bei der geliebten »Witwe Klicko«. Rohrdörfer hatte seinen Hausrock ausgezogen, eine tibetanisch bestickte Jacke, die ihm damals der Dalai Lama geschenkt hatte, und Helene erzählte freimütig, wie es zu diesem Bild kam.
    Bildbeschreibung (mußte ich oft in der Schule machen, allerdings nicht von solch einem Bild): eine sichtlich antike Ziegelmauer, darin eine Nische mit der üblichen halben Kuppel, vormals ohne Zweifel mit Marmor ausgekleidet, die Halbkuppel als Muschel gestaltet, man kennt das tausendfach. Eine Nische, vorgesehen für eine Statue.
    Und es stand eine Statue drin: eine Venus, Marmorweiß vor Ziegelrot in klassischer Haltung; sehr rar: völlig unversehrt … es war Helene , weiß angestrichen …
    Sie lachte, als sie es erzählte. Ja, der »Zwischenmensch« sei ein nicht unbedeutender Objektkünstler und Photograph gewesen, sei es noch, sie wolle den Namen nicht nennen – mit ihm sei sie in Rom gewesen, und seine Idee war es, daß sie ganz früh aus Rom hinaus nach Tivoli gefahren sind, als erste an der Kasse der Villa Adriana standen, Helene nackt unter leichtem Mantel »und weiß getüncht« – ja, und so stellte sie sich, noch niemand war in der Villa, an Säulen und in Nischen und stieg auf Podeste. Aber dann kam doch jemand, nicht nur jemand: eine ganze Gruppe Japaner. Ihr, Helene, sei nichts anderes übrig geblieben, als stur stehenzubleiben, bis die Japaner abphotographiert hatten und weitergegangen waren. »Auf wie vielen japanischen Photos ich wohl als nackte weiße Venus verewigt bin?«
    *
    Eine Beerdigung des Peterl war nach den Umständen seines Todes unmöglich. Hätte Monsignore Rohrdörfer ein förmliches Requiem gewagt? Zuzutrauen wäre es ihm gewesen. Oder? Es waren nur wenige Gläubige in der Kirche, meist ältere Frauen, zu deren Unterhaltung es zählt, zu Requien und Beerdigungen zu gehen, ob sie den Verewigten gekannt haben oder nicht. Kopfschüttelnd standen zwei vor dem Verkünd-Zettel neben der Kirchentür. »Haben Sie den kennt?« »Naa. Sie?« »Naa.« Seelenmesse f. Herrn Peter Liebwerth: 7 Uhr 30.
    *
    »Das Finale der Geschichte, das strettaartigen Charakter hat, schildere ich dir nicht in der Reihenfolge, wie ich die Ereignisse erfuhr«, so fuhr Carlone fort, »sondern setze es dir nach dem Mosaik auseinander, das sich aus dem ergibt, was ich selbst gesehen und gehört, was ich von anderen, namentlich vom Meister selber, erfahren habe, was in der Zeitung stand und was mir schließlich bei meiner Vernehmung durch den Staatsanwalt mitgeteilt wurde.
    Unter der Dachkammer, die der Meister nach seinem Lebensscheitern wieder beziehen mußte, lebte
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