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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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italienischen Pferdezüchter namens Attilio zu und verließ den Meister . Den Porsche 911 Carrera, den ihr der Meister gekauft hatte, nahm sie mit. Außer dem Wunsch, dem Weltpianisten in den Armen zu liegen, war Emmas größter Herzenswunsch immer schon gewesen: ein Porsche 911 Carrera. Der Meister löste – unter Verlust, versteht sich – seine so sorgfältig kalkulierten Geldanlagen auf. Es reichte gerade für den Porsche. Als dann der Porsche und Emma weg waren, mußte der Meister , bildlich gesprochen, wieder zu seiner kleinen Herdplatte und den Läppchen am Plattenspieler zurück.
    »Nein, die Läppchen nicht«, sagte Carlone, »denn inzwischen gab es CD s.«
    Und es gab die Doktorarbeit.
    »Hat der Meister dann letztendlich doch promoviert?«
    »Indirekt«, sagte Carlone.
    *
    Weiter mit Carlones Erzählung:
    Es war wie mit dem kleinen Finger, den man dem Teufel gibt. Diese fluchwürdige Violinsonatine in e-Moll mit dem Untertitel »Warum das Pläßhuhn ruft« wurde doch tatsächlich aufgeführt.
    »Wie klang das?«
    »Ich war nicht dabei«, sagte Carlone.
    Im Gegensatz zum musikabstinenten Professor Goblitz war Fräulein Bärlochers ehemaliger Doktorvater Professor Katruse nicht nur am Hören von Musik interessiert, er musizierte sogar selber und war kein schlechter Pianist. Über Fräulein Bärlocher erfuhr er des Meisters Adresse und schrieb einen Brief: Er wolle, bevor er Nachforschungen anstelle, die sicher schwierig seien, bei Herrn Dr.(?) Wibesser anfragen, der ja wohl so etwas wie – kann man sagen? – Nachlaßverwalter zu Lebzeiten Tofandors sei, ob nicht noch andere Werke …
    »Sag einfach Nein«, riet Carlone. Aber der Meister hatte (wieder einmal) Angst vor den angedrohten Nachforschungen, die möglicherweise dazu führen konnten, daß der ganze Schwindel aufflog.
    »Er kann nicht mehr auffliegen. Tofandor gibt es«, sagte Carlone.
    »Nein, nein, es war doch nicht schwer, das mit der Violinsonatine, oder?«
    So schrieb der Meister »Drei Stücke für präpariertes Cembalo, ›Segen der Zeit‹ op. 22.« Es waren drei Scarlatti-Sonaten in Spiegelschrift und mit einem Dutzend Radiergummis zwischen die Saiten geklemmt zu spielen. Es klang grausig. Professor Katruse war begeistert.
    Ein anderer Schüler Katruses, ein Japaner namens Kyomori, tauschte das bisherige Thema seiner Magisterarbeit (»Der Tropus Hodie cantandus est des Tuotilo«) im Einverständnis mit Katruse gegen eine Arbeit über Tofandor. Er besuchte zu dem Zweck den Meister  – es war zur Zeit von dessen Ehe mit Emma Raimer – und sprach mit ihm, wobei dem Meister nichts anderes übrig blieb, als neue Details zu Tofandors Leben zu erfinden, unter anderem eine schwere psychische Erkrankung in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg. Wofür die Beziehung zu Emma nicht doch alles gut war: Tofandor könne nichts mehr essen, was auf viereckigen Tellern serviert wurde, könne nichts Rotes vertragen, sei allergisch gegen Teppichböden und gegen Katzenhaare. Anläßlich eines Essens beim japanischen Botschafter in Berlin – »ich mache ihm damit eine Freude«, dachte der Meister  –, als nach einem Aperitif die Gäste, darunter Tofandor, in den Speisesaal geführt wurden, wo nicht nur hochfloriger Teppichboden, wenn man so sagen kann, herrschte, sondern auf viereckigen Tellern eben Tomatencremesuppe serviert wurde und die Frau des Botschafters den Gästen ihre Lieblingskatze vorstellte, sei Tofandor zusammengebrochen und mußte ins Spital gebracht werden. Unter dem Sauerstoffzelt komponierte er dann die einsätzige Symphonie mit obligater Soloposaune mit dem Titel Der tote Jadebaum op. 72.
    Ob man wohl irgendwie diese Symphonie beibringen könnte? fragte mit einer Verbeugung Kyomori. Der Meister wollte schon zusagen, da fuhr Carlone dazwischen: »Nein, leider nicht. Tofandor schenkte die Partitur dem Botschafter, der sie nach Japan mitnahm, wo sie beim Atombombenangriff auf Hiroschima zugrunde ging.«
    »Sehr schade, sehr schade«, sagte Kyomori mit einer weiteren Verbeugung. Aber die Adresse mußte der Meister wohl oder übel herausrücken: Eppan/Appiano in Südtirol, Matschatscherweg 20. Kyomori fuhr hin. Er verwechselte allerdings Eppan/Appiano mit Attnang-Puchheim (klingt es für japanische Ohren ähnlich?) und den Matschatscherweg infolge eines Mißverständnisses mit dem Kornweg. Die Nummer 20 mit der Nummer 12. Das Mißverständnis kam bedauerlicherweise dadurch zustande, daß Kyomori ausgerechnet den vernunftresistenten
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