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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister
Autoren: Rosendorfer Herbert
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Detonation. Er ging langsam die Stiege hinauf. Die Sirene der Rettung. Sanitäter stürmten an ihm vorbei. Als Carlone oben war im zweiten Stock, trug man eben den Professor, der ihn hätte prüfen sollen, auf einer Tragbahre heraus.
    Der Professor war schwarz im Gesicht und hatte keine Haare mehr. Er winkte dem verhinderten Prüfling müde zu und flüsterte heiser: »Ein anderes Mal.«
    »Nichts für mich, dachte ich da«, sagte Carlone, »ich wechselte zur ungefährlichen Musikwissenschaft.«
    Die Mutter hatte Verständnis, deckte den Schwindel.
    »Und wenn du dann fertig bist? Und Doktor der Musikwissenschaft statt Doktor der Zahnpastakunde? Was sagst du dann deinem Vater?«
    Er antwortete mit einem schönen, für ihn typischen Spruch. Er klingt nur auf englisch richtig: »Let’s pass that bridge when we reach it.« Wie recht hatte er.
    Seine Beziehung zur Heimatstadt war dadurch naturgemäß stark eingeschränkt. Sie bewegte sich nur noch im Bereich der leidenschaftlichen Anteilnahme am wechselnden Geschick des Fußballvereins Arminia Bielefeld.
    Damals schrieb er schon an seiner Arbeit: »Das Opus 100«.
    »Wie? Was?« So fragte mancher.
    *
    Den Nachmittag vor der Vorstellung verbrachten wir im Schwimmbad. Die nicht unattraktive, aber etwas kantige Russin Njakleta war in einen züchtigen Einteiler gehüllt, die schöne Helene Romberg präsentierte sich »monotextil«: Sie hatte nichts an außer einem sehr kleinen grünen Höschen und einem sehr großen grünen Strohhut, gab zwei Wunder der Natur preis. Straff, selbst- und freitragend – nun freilich, sie war ja erst zwei- oder dreiundzwanzig Jahre alt – und mit je einem, wie soll man sagen, um poetisch zu bleiben, bewundernswert geformten »Mond« geschmückt.
    »Ist was?« fragte sie, und: »Die Dinger haben noch nie so was wie einen Büstenhalter gesehen«, legte sich auf den Bauch und zeigte damit zwei ebenfalls fast unverhüllte, vollendete Rundungen.
    Der keusche Meister wußte nicht, wohin schauen, zog sich mit einem Buch auf die Bank vor der Bar zurück, aber der Professor, der frischgebackene Oberleutnant der eidgenössischem Kriegsmacht, wurde fast wahnsinnig. So in der Badehose sah er, mit seinem beginnenden Spitzbauch, noch engerlinghafter aus als sonst. Wußte er das nicht? Baute er auf die Anziehungskraft seiner professoralen Protektionsmöglichkeiten?
    Er wälzte seinen bleichen Leib neben die schöne Helene und schlug ihr – ich kann mir nicht versagen anzumerken: errötend – vor, daß sie zur Universität Basel (oder war es Bern? Chur?) wechseln und bei ihm promovieren solle. »Bei Ihrer Intelligenz –« (ha! ha!) »– ist Ihnen summa cum sicher …«
    Sie werde es sich überlegen, murmelte Helene, drehte sich auf den Rücken und zeigte, daß selbst so ihre beiden Wunderdinge nicht zu Fladen zerflossen, sondern stolz und aufrecht der Sonne entgegenstrebten.
    Professor Amtobels Hand zuckte. (Nicht nur ich beobachtete das.) Zuckte. Aber dann strich er ihr doch nur übers Haar.
    *
    La Lunarda ossia Il incesto impedito hieß die Oper, von Tizio Calabassi, Uraufführung 1652 am Teatro San Moïse in Venedig, seitdem nie wieder aufgeführt.
    »Man wird gewußt haben, warum«, sagte die schöne Helene Romberg danach. Sie war nicht nur schön, sondern gelegentlich auch schön frech. Nicht mehr monotextil, versteht sich, bei der Aufführung. Aber da man nun wußte, daß noch nie »so etwas wie ein Büstenhalter …«, konnte man sich durchaus an dem naturbelassenen leichten Beben unter dem sehr dünnen blaßgrünen Kleid ergötzen. Der verliebte Amtobel, der die Karten verteilt und so die Sitzplätze manipuliert hatte und also neben ihr saß, verwendete kaum einen Blick auf das Bühnengeschehen. (Das allerdings, so der Meister , »vernachlässigbar« war.)
    Nach der Pause wechselte sie mit mir den Platz.
    »Der Kerl trenst mir fast in den Ausschnitt.« Welcher allerdings sehr sehenswert war.
    Eine zusammenfassende Beurteilung äußerte Carlone nach der Aufführung: »Da ist der Parsifal fast noch unterhaltsamer.«
    Dabei war die Handlung, die man zwar nicht verstand, die man aber im Programmheft nachlesen konnte, eigentlich ziemlich turbulent:
    Erster Akt: Der König Damasceno von Frighia hatte, als er unerkannt den Hof seines Feindes, des Königs Ercolio von Tauria, ausspionieren wollte, mit dessen Schwester kurzfristig eine Tochter Lunarda gezeugt, die dann am Hof Ercolios als dessen angebliches Kind zu einer Schönheit
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