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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund
Autoren: Robert Ludlum
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Waffe entsicherst.«
    »Sei mir nicht böse, Soldat, aber dann müßte ich zuviel auf einmal tun.« Juriewitsch sah die Besorgnis im Blick seines Sohnes. »Andererseits, wenn ich es mir richtig überlege, hast du wahrscheinlich recht. Ich könnte fallen und einen Schuß auslösen. Davon verstehe ich etwas.«
    »Danke«, sagte der Leutnant und drehte sich plötzlich um. Sein Vater hatte recht; hinter ihnen raschelte tatsächlich etwas.
    Er hörte das Knacken eines Zweiges, Schnee, der zu Boden fiel. Er entsicherte die eigene Waffe.
    »Was ist das?« fragte Dimitri Juriewitsch mit erregtem Blick.
    »Schsch«, flüsterte Nikolai und spähte in die weißen Korridore, die sie umgaben.
    Er sah nichts. Er schob den Sicherungshebel wieder zurück.
    »Dann hast du es also auch gehört?« fragte Dimitri. »Das waren nicht bloß diese fünfundfünfzig Jahre alten Ohren.«
    »Der Schnee ist schwer«, meinte sein Sohn. »Die Äste brechen unter seinem Gewicht. Das ist es, was wir gehört haben.«
    »Nun, eines haben wir jedenfalls nicht gehört«, sagte Juriewitsch, »und zwar ein Pfeifsignal. Gar nichts haben wir gehört!«
    Wieder hallten in der Ferne drei Schüsse.
    »Sie haben etwas gesehen«, sagte der Leutnant. »Vielleicht hören wir diesmal das Signal…«
    Plötzlich hörten sie es. Ein Geräusch. Aber das war keine Pfeife. Das war vielmehr ein erschreckter, in die Länge gezogener Schrei, schwach, aber ganz deutlich. Ganz entschieden ein schrecklicher Schrei. Und jetzt folgte ihm ein zweiter, der noch hysterischer klang.
    »Mein Gott, was ist passiert?« Juriewitsch packte den Arm seines Sohnes.
    »Ich weiß…«
    Ein dritter Schrei schnitt ihm die Antwort ab, ein Schrei, der ihm durch Mark und Knochen ging.
    »Bleib hier!« schrie der Leutnant seinen Vater an. »Ich laufe zu ihnen.«
    »Ich komme mit«, sagte Juriewitsch. »Mach schnell, aber sei vorsichtig!«
    Nikolai raste durch den Schnee auf den Ursprungsort der Schreie zu. Sie erfüllten jetzt den ganzen Wald, nicht mehr so schrill, aber um so schmerzlicher. Man merkte, daß die Lebenskraft dessen, der geschrien hatte, verebbte. Der Soldat benutzte sein Gewehr dazu, sich einen Weg durch die schweren, tiefhängenden Äste zu bahnen. Der Schnee wirbelte rings um ihn auf. Seine Beine schmerzten, die kalte Luft füllte seine Lungen zum Bersten; Tränen der Erschöpfung trübten seine Sicht.
    Dann hörte er das Brüllen, bevor er das sah, was er am meisten fürchtete, etwas, das kein Jäger je sehen wollte. Ein ungeheuer großer, wilder Schwarzbär, dessen schreckerregendes Gesicht eine einzige blutende Masse war, übte Rache an denen, die seine Wunden verursacht hatten, riß, fetzte, zerfleischte seinen Feind.
    Nikolai hob das Gewehr und feuerte, bis keine Patronen mehr in der Kammer waren.
    Der riesige Bär fiel. Der Soldat rannte zu den beiden Männern; als er sie untersuchte, stockte ihm der Atem.
    Der Mann aus Moskau war tot, die Kehle herausgerissen, sein blutverschmierter Kopf kaum mehr mit dem Körper verbunden. Drigorin hatte noch Spuren von Leben in sich. Nikolai wußte, wenn der andere nicht binnen Sekunden sterben würde, dann würde er seine Waffe nachladen und das zu Ende führen, was das Tier begonnen hatte. Der Oberst hatte kein Gesicht mehr. An seiner Stelle war etwas, was sich dem Bewußtsein des Soldaten einbrannte.
    Wie? Wie hatte das geschehen können?
    Dann wanderte der Blick des Leutnants zu Drigorins rechtem Arm. Der Schock, den er empfand, überstieg seine wildeste Vorstellungskraft.
    Er war halb von seinem Ellbogen abgetrennt. Wie das geschehen war, wurde sofort klar: durch schwerkalibrige Kugeln.
    Der rechte Arm des Obersten war abgeschossen worden!
    Nikolai rannte zu Brunovs Leiche; er beugte sich hinunter und rollte die Leiche zur Seite.
    Brunovs Arm war noch intakt, aber seine linke Hand war zerrissen. Nur die verzerrten, blutigen Umrisse einer Handfläche waren zurückgeblieben. Die Finger waren nicht mehr als Knochenstücke. Seine linke Hand! Nikolai Juriewitsch erinnerte sich an den Morgen, den Kaffee, den Wodka und die Zigaretten.
    Der Mann aus Moskau war Linkshänder gewesen.
    Brunov und Drigorin waren von jemandem mit einer Waffe verteidigungsunfähig gemacht worden, jemandem, der wußte, was auf ihrem Wege auf sie lauerte.
    Nikolai richtete sich vorsichtig auf. Der Soldat in ihm war geweckt, er suchte den unsichtbaren Feind. Und dies war ein Feind, den er mit ganzem Herzen finden und töten wollte. Seine Gedanken rasten zurück zu
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