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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund
Autoren: Robert Ludlum
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auf seinen Vater. Alle wollten etwas über den großen Juriewitsch wissen, den brillanten, reizbaren Mann, dessen bloßer Name schon ausreichte, um den Führern der westlichen Welt Angst zu machen. Es hieß immer, Dimitri Juri Juriewitsch trüge die Formeln für ein Dutzend taktischer Kernwaffen im Kopf; es hieß, wenn man ihn in einem Munitionslager mit angeschlossenem Labor allein ließe, wäre er fähig, eine Bombe zu bauen, die Groß-London, ganz Washington und den größten Teil Pekings vernichten könnte.
    Das war der große Juriewitsch, ein Mann, der gegen Kritik und disziplinarische Maßnahmen praktisch immun war, auch wenn er manchmal zu unüberlegten Worten und Handlungen neigte. Nicht, soweit es seine Ergebenheit für den Staat betraf; die stand nie in Frage. Dimitri Juriewitsch war das fünfte Kind armer Bauern aus Kurow. Wenn es den Staat nicht gegeben hätte, dann wäre er jetzt Maultiertreiber bei irgendeinem Aristokraten. Nein, er war ein Kommunist bis in die Knochen, hatte aber, wie alle brillanten Männer, nichts übrig für die Bürokratie. Daraus hatte er nie ein Hehl gemacht, und es hatte ihm nie geschadet.
    Das war auch der Grund, weshalb so viele ihn kennenlernen wollten. Vermutlich, das nahm Nikolai wenigstens an, weil sie hofften, daß auf diese Weise wenigstens ein Hauch seiner Immunität auf sie fiel.
    Der Leutnant wußte, daß dies heute der Fall war, und es war ihm unangenehm. Die »Gäste«, die jetzt zur Datscha seines Vaters unterwegs waren, hatten sich praktisch selbst eingeladen. Der eine war der Kommandeur von Nikolais Bataillon in Wilna, der andere ein Mann, den Nikolai nicht einmal kannte. Ein Freund des Kommandeurs aus Moskau. Der Kommandeur hatte gesagt, es sei jemand, der einem jungen Leutnant einmal einen Gefallen tun könne, wenn es um eine Versetzung ging. Nikolai hielt von solchen Versprechungen nicht viel; er war in erster Linie er selbst und erst in zweiter Linie Sohn seines Vaters. Er würde seinen eigenen Weg gehen; für ihn war das sehr wichtig. Aber zu seinem Kommandeur konnte er trotzdem nicht nein sagen, denn wenn es in der ganzen Sowjetarmee einen Mann gab, der eine Spur dieser »Immunität« verdiente, dann war das Oberst Janek Drigorin.
    Drigorin hatte sich gegen die Korruption ausgesprochen, die im Offizierskorps offen zutage trat. Die Erholungsorte am Schwarzen Meer, die aus Geheimfonds bezahlt wurden, die Lagerhäuser voll Konterbande und die Frauen, die, entgegen allen Vorschriften, mit Militärmaschinen zu ihren Männern geflogen wurden.
    Er fiel in Moskau in Ungnade und wurde nach Wilna versetzt, um dort in Mittelmäßigkeit zu versauern. Während Nikolai Juriewitsch ein einundzwanzigjähriger Leutnant war, der auf einem unbedeutenden Posten umfangreiche Verantwortung trug, war Drigorin ein bedeutendes militärisches Talent, das man auf einen unbedeutenden Posten abgeschoben hatte. Wenn ein solcher Mann einen Tag mit seinem Vater zu verbringen wünschte, konnte Nikolai dagegen nichts einwenden.
    Außerdem war der Oberst ein höchst sympathischer Mann; er war neugierig, wie der andere sein würde.
    Nikolai erreichte den Stall und öffnete das große Tor, das zu dem Korridor mit den einzelnen Boxen führte. Die Scharniere waren geölt worden; das alte Tor öffnete sich lautlos. Er ging an den makellos saubergehaltenen Verschlagen vorbei, in denen früher einmal die besten Vollblüter gestanden hatten. Er versuchte sich vorzus tellen, wie jenes andere Rußland einmal gewesen war. Fast glaubte er, das Wiehern feurig blickender Hengste zu hören, das ungeduldige Scharren von Hufen, die Rufe von Jägern, die danach gierten, auf die Felder hinausgeschickt zu werden.
    Jenes Rußland mußte etwas ganz Besonderes gewesen sein. Wenn man nicht hinter einem Maultier herlief.
    Er erreichte das Ende des langen Korridors, wo eine weitere breite Türe war. Er öffnete sie und ging wieder in den Schnee hinaus. In der Ferne fiel ihm etwas auf; etwas, das nicht hinzugehören schien.
    Von der Ecke einer Kornkammer führten Spuren zum Waldrand. Fußabdrücke vielleicht. Aber die beiden Dienstboten, die Moskau der Datscha zugewiesen hatte, hatten das Hauptgebäude nicht verlassen. Und die Waldhüter waren in ihrer Baracke, unten an der Straße.
    Andererseits, dachte Nikolai, war es natürlich möglich, daß die Wärme der Morgensonne die Ränder irgendwelcher Eindrücke im Schnee geschmolzen hatte. Vielleicht täuschte das blendende Licht die Augen. Ohne Zweifel handelte es sich
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