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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder
Autoren: Werner Brorsen
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gahn.“
    Das üppige Frühstück lehnt Rötger ab, begnügt sich mit einem Kaffee, stellt Fragen, während der Gerichtsschreiber eifrig protokolliert. Schnell hat sich der Mann aus Itzehoe einen umfassenden Überblick verschafft. „Von wie vielen Tätern geh‘n Sie aus?“
    „Mindestens drei, Herr Rat“, antwortet Ahrens. „Es wurden drei verschiedene Mordwaffen benutzt: eine Axt, ein Messer und eine Art Keule.“
    Friedrich Rötger nickt. „Tatzeit?“
    „Von zehn, als alle schlafengegangen waren, bis kurz nach eins, da wurde zunächst die Scheune angesteckt. Anschließend das Wohnhaus und die Ställe.“
    „Beute?“, fragt der Justizrat weiter. Hinrich Ahrens zuckt die Schulter: „Konnte bislang nicht ermittelt werden.“
    Der Rat stützt das Kinn auf die geballte linke Faust. „Hm. Acht Tote. Ein Großfeuer. Und wofür das alles?“
    Beeindruckt stellt Hinrich Ahrens fest, wie professionell Rötger die Sache angeht. Der fragt weiter, knapp und amtlich: „Alle Leichen geborgen?“
    „Vier haben wir rausgeholt. Drei liegen noch im Wohnbereich. Zwei davon fast völlig verkohlt.“
    „Fehlt also die achte“, stellt Rötger lakonisch fest.
    Ahrens nickt: „Johann, der Drittälteste. Wir haben ihn nirgends entdeckt.“
    Jetzt fällt dem Justizrat ein: „Sie haben einen Zeugen, den zweitältesten Sohn.“
    „Ja, Timm“, antwortet Jakob Schwarzkopf, „aber der ist ohne Besinnung und nicht vernehmungsfähig. Wir warten auf die Ärzte.“
    Friedrich Rötger zieht die Augenbrauen hoch: „Ärzte? Ist er so schwer verletzt?“
    „Das nicht“, antwortet der Bauer, „aber Doktor Dreessen, unser Landarzt, will einen Kollegen aus der Stadt hinzuziehen.“
    Umständlich zündet der Justizrat eine Zigarre an. Schwerfällig erhebt er sich aus dem Lehnstuhl, nickt dem Gendarm zu: „Machen wir uns auf zum Tatort.“ Auf dem Weg zur Tür hält er inne: „Vorher guck’ ich mir noch den Überlebenden an.“
    Am Küchentisch sitzt Hermann, der Kutscher, dem Hanne ein kräftiges Frühstück bereitet hat. Friedrich Rötger klopft ihm auf die Schulter, tritt an die Küchenbank, betrachtet nachdenklich den Liegenden. „Armer Teufel!“
    13
    Bleich und schmallippig sitzt Dr.   Friedrich Rötger in seiner Kutsche. Was er in den letzten Stunden gesehen und nachempfunden hat, ist ohne Vergleich mit den menschlichen Irrungen und Wirrungen, die ihn Jahrzehnte lang beschäftigt haben. Durch knöchelhohe, schwarze Asche ist er gestapft an der Seite des besorgten Dorfgendarms, gefolgt von seinem Schreiber Poel, der gelbgesichtig mit zitternden Händen protokollierte. „Da müssen wahre Teufel gewütet haben“, murmelt er und denkt mit Schaudern an das Erlebte zurück.
    Nach langem Suchen fanden sie im Wagenschauer Johanns Leiche. Trotz der blutgetränkten Kleidung erkannte Rötger, dass der Drittälteste der Thode-Brüder ein Jackett nach englischer Mode, eine Feincord-Hose und Stiefel aus Juchtenleder trug.
    „Er kann nicht Hals über Kopf geflüchtet sein“, stellt Rötger fest. „Hat er sich im Wagenschauer versteckt und ist dort erschlagen worden?“
    Im Pferdestall entdeckten sie die beiden Schäferhunde. Einer war mit einem groben Strick an einem Querbalken aufgehängt worden, der zweite hatte sich mit durchschnittener Kehle in eine Ecke geflüchtet und war dort verblutet.
    Friedrich Rötger fühlt sich schwach und elend. Zugleich regt das Entsetzen über das Ausmaß des Verbrechens seinen pragmatischen Verstand an. Das Motiv! Rache? Er hat sich umgefragt und erfahren, dass die Thodes keine Feinde hatten und hohes Ansehen genossen. Habgier? Wer sucht sich für einen Überfall einen Hof aus, auf dem sechs Männer und zwei scharfe Hunde einem Räuber keine Chance bieten?
    Er blickt über die fast baumlose Marsch. Verdammt! Wir sind nicht im Spessart oder im Thüringer Wald. Wie soll hier eine Bande wie Zieten aus dem Busch hervorbrechen, blindlings morden, sinnlos Feuer legen und dann wieder in den Wäldern verschwinden?
    Immer klarer wird dem Justizbeamten, dass der Schlüssel zu seinen Ermittlungen in der Aussage des Überlebenden liegt. Vor der Heimfahrt hat er noch bei den Schwarzkopfs hereingeschaut. Zwei Ärzte standen an Timms Lager. „Eine treffliche Diagnose“, bestätigte Dr.   Götze aus der Kreisstadt seinen Beidenflether Kollegen. Er wandte sich an Hanne Schwarzkopf: „Weiterhin wechselnde kühle Essigumschläge. Und nicht versuchen, ihn zu wecken.“ Nun bemerkte er den an der Tür stehenden
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