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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder
Autoren: Werner Brorsen
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blindwütig und brutal seine Familie ausrottet, gehört ebenso ins Reich der Legende wie der von einer schönen Hexe Verführte und zur Untat Angestiftete.
    Zwar beklagt sich Timm gegenüber Mohrdieck: „Ich bin immer verstoßen gewesen. Meine Brüder und mein Vater haben mir Unrecht getan.“ Doch als der Ermittler ihn auffordert: „Nennen Sie uns endlich Ihr Motiv“, bekennt er: „Ich wollte das Geld. Ich wollte alles allein haben. Den Hof wollte ich haben.“ Bei diesem Bekenntnis bleibt er auch in Gesprächen mit dem Seelsorger, im Geständnis vor dem Untersuchungsrichter und in seiner Einlassung vor Gericht. Gegen die These des mordenden Racheengels spricht im Übrigen sein planmäßiges Vorgehen nicht nur gegen den Vater und die Brüder, sondern auch gegen die sich stets um ihn sorgende Mutter, von der die Obduzenten unter anderem berichten: Jochbein und sämtliche Gesichtsknochen zertrümmert.
    Sie musste sterben wie der 14-jährige Reimer, der in rührender Anhänglichkeit Timm sogar gegen die Brüder zu verteidigen versuchte. Hier wie auch beim Hinmetzeln der um ihr Leben flehenden Schwester Anna und dem Mord an dem ihm stets freundlich begegnenden Dienstmädchen Abel tun sich schockierende Abgründe auf.
    Auch zeugt sein Verhalten nach dem Verbrechen – abgesehen von einem Schreckensmoment angesichts des noch Lebenszeichen von sich gebenden Johann und seiner Unbedachtsamkeit, die Fenster des brennenden Wohnhauses nicht zu öffnen – von kaltem Pragmatismus und berechnender Logik: das gründliche Bad in der Balge, die Sicherung der Kassette, die gespielte Ohnmacht im Hause Schwarzkopf.
    Das ehemalige Thode-Anwesen ist im Besitz der Nachkommen von Heinz Christian Brandt geblieben, der es noch von Timm Thode erwarb. Dieser vererbte es seinem Sohn Heinrich, es folgte dessen Sohn Richard, und seit 30   Jahren bewirtschaftet Otto Brandt, der Urenkel des Käufers, mit Ehefrau Traute und Sohn Christian den Marschhof an der Stör.
    Von der Spukgestalt des Timm Thode, die, so wurde noch vor 50   Jahren an düsteren Winterabenden in der Marsch gemunkelt, bei Blitz und Donner am Tatort erschien, haben weder Otto Brandt noch seine Eltern und Großeltern je etwas gespürt. Natürlich wissen sie um den grausamen Tod des einstigen Besitzers und seiner Familie sowie das Ende des Mörders. An den aber werden sie nur erinnert, wenn im Sommer ein Ausflugsschiff auf der Stör vorüberfährt und der Kapitän den Passagieren per Megafon vom Wüten des Timm Thode berichtet. „Dann“, so Otto und Traute Brandt, „stellen wir uns auf den Stördeich und winken den Leuten fröhlich zu.“
    Werner Brorsen
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