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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder
Autoren: Werner Brorsen
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Heiligenstedtener Klappbrücke, am schneeweißen Herrenhaus des Lehngrafen Blome vorbei am Stördeich entlang. Da taucht im Frühnebel schon die Silhouette der „Stadt im Grünen“ auf.
    Das Domizil des Justizrats Dr.   Friedrich Rötger zu finden, macht keine Mühe. Der Gendarm hat ihm die Lage genau beschrieben, und Johannes kennt sich in Itzehoe gut aus.
    Hart lässt er den Messingklopfer gegen die Eingangstür fallen. Tastende Schritte auf der Diele. Eine Frau mit Nachthaube und hastig über das Nachtgewand geworfenem Brusttuch öffnet einen Spalt breit. Mustert ihn aus verschlafenen Augen, misstrauisch und vorwurfsvoll: „Was gibt’s?“
    Johannes atmet tief durch, zwingt sich zur Ruhe: „Ich muss Herrn Justizrat sprechen.“
    Die Frau schüttelt den Kopf. „Kommen Sie wieder. In drei Stunden. Der Herr Rat braucht seine Nachtruhe.“ Sie will die Tür zuziehen, doch Johannes behält den Griff fest in der Hand. Wird lauter: „Sofort. Es duldet keinen Aufschub. Es geht um …“
    „Psst!“ Mahnend legt die Frau den rechten Zeigefinder an die gespitzten Lippen. „Nicht so laut, junger Mann. Nehmen Sie doch Rücksicht. Der Herr …“
    Schon kommt der Vertreter der Justiz, ein hochgewachsener, kräftiger Mann, in Morgenrock und Pantoffeln die breite Treppe herab: „Was für ein Lärm zu früher Stunde!“ Die Haushälterin öffnet vollends die Tür. Johannes verbeugt sich leicht: „Ich bitte um Entschuldigung, Exzellenz. Ein Feuer in Groß Campen. Der Hof unseres Nachbarn. Mit furchtbaren …“
    Unwirsch fällt ihm Friedrich Rötgers ins Wort: „Und deswegen holen Sie mich aus dem Bett?“ Die Haushälterin hat eine Petroleumlampe angezündet, leuchtet Johannes ins verrußte, gequälte Gesicht, fährt erschrocken zurück. Der Rat sieht mit einem Blick, dass Schreckliches geschehen sein muss. „Kommen Sie herein. In mein Arbeitszimmer.“
    Fünf Minuten später ruft er nach der Haushälterin: „Emilie! Gehrock, Zylinder, Stiefeletten! Wecken Sie Poel! Und Hermann soll anspannen. Aber zuerst machen Sie uns einen kräftigen Kaffee. Und ein Frühstücksbrot.“ Er nickt zu Johannes hin, der ihm gegenüber am Schreibtisch sitzt. „Herr Schwarzkopf braucht eine Stärkung.“ Und mit einem Blick auf Max, der langhalsig mit hängendem Kopf an der Gartenpforte steht: „Das Pferd muss versorgt werden. Hermann soll ihm Wasser und Hafer geben.“
    Im zunehmenden Tageslicht erkennt der Justizrat, dass im Gesicht seines Gegenübers nicht nur Müdigkeit und Erschöpfung geschrieben stehen, sondern auch Trauer, Entsetzen und Wut. Johannes berichtet weiter, sachlich und äußerlich emotionslos. Friedrich Rötgers Miene wird ernst und entschlossen. Nach dem Frühstück erhebt er sich ruckartig. „Es ist angespannt. Wir brechen auf.“
    Gemächlich reitet Johannes Schwarzkopf durch die Marsch, vorbei an goldgelben Weizenfeldern und mattgrünen Weiden. Schafe grasen auf dem Deich. Ein Bild des Friedens, stellt er bitter fest. Er lässt die Zügel locker, will nach dem scharfen Ritt in die Kreisstadt dem Pferd möglichst jede Anstrengung ersparen. Doch Max, der Vierjährige, hat sich in der knappen Stunde, die Johannes beim Justizrat zubrachte, erholt. Immer wieder fällt er in Trab, so dass der Zweispänner des Dr.   Rötger zurückbleibt und bereits außer Sicht ist.
    Johannes verspürt bleierne Müdigkeit. Kaum zu Hause, begibt er sich in seine Kammer, nachdem er die baldige Ankunft des hohen Besuchers angekündigt hat. Hanne Schwarzkopf deckt in der Gooden Stuuv den Frühstückstisch. Jakob, der bei der Krankenwache an Timms Lager für zwei Stunden eingenickt war, springt auf, zieht sein Sonntagsjackett an, bringt fahrig sein Haar in Ordnung.
    Pferdegetrappel auf dem Innenhof. Er blickt aus dem Fenster. Ein stattlicher Herr entsteigt einer geschlossenen Kutsche. Danach ein schmaler junger Mann im dunkelgrauen Alltagsanzug mit einer Aktenmappe unterm Arm. „Se sünd door“, ruft Jakob seiner Frau zu, „un he hett den Schriever glieks mitbröcht.“ Er geht aus dem Haus, begrüßt die Gäste.
    Nun kommt auch Hinrich Ahrens vom Thode-Hof herüber in seiner verschmutzten und angesengten Uniform. Sein Schritt wird fester, je näher er dem Haus kommt. Vor dem Justizrat strafft er sich, knallt die Hacken zusammen, grüßt militärisch. Friedrich Rötger winkt ab, gibt ihm die Hand. „Moin, Ahrens. Alles im Griff?“ Diensteifrig berichtet der Gendarm. Bis der Bauer ihn unterbricht: „Lat uns in’t Huus
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