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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist
Autoren: Eva Heller
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Engelhardt sagte, es sei erlaubt, die Sauce mit dem Dessertlöffel zu
essen. Hhhmmm. Wie wundervoll alles zusammenpaßte! So wundervoll wie unsere
Zukunft!
    Eines Tages werden wir uns
gemeinsam selbständig machen... zuerst werden wir zwei, drei Jahre bei meinem
Onkel arbeiten. Bis ich den Job bei meinem Onkel bekomme, werde ich weniger
Geld haben als bisher, aber ich will nicht, daß mein Vater mich länger
unterstützt. Und Benedikt sagt, wenn ich etwas brauche, muß ich es nur sagen.
Geld war für uns noch nie ein Thema. Ein klein wenig mulmig ist mir nur bei dem
Gedanken, Benedikts Mutter künftig mit Nora anzureden. Sie hat mir gleich
gesagt, ich soll sie duzen, sie sei schließlich keine alte Dame, und Benedikt
würde sie auch kaum mehr Mutti, sondern viel häufiger Nora nennen, und das
fände sie zeitgemäß. Aber so ungezwungen wie Benedikt das mit meinen Eltern
macht, schaff ich das nicht. Bisher habe ich es umgangen, seine Mutter
irgendwie anzureden. Es fällt mir sogar schwer, sie zu duzen. Aber Benedikt sagt,
ich soll mir darüber keine Sorgen machen, das wird sich alles von alleine
regeln. Spätestens nächste Woche, wenn wir zusammenwohnen.
     
    Frau Engelhardt verkündete, der
nächste Gang würde erst in vierzig Minuten aufgetragen, das Fleisch brauche
seine Zeit und sie eine Pause. Aber gern! Alle waren satt genug für eine Pause!
Herr Engelhardt dekantierte den Bordeaux für den kommenden Gang. Wir
beobachteten, wie er die Flasche durch einen Trichter in eine Karaffe umfüllte,
sehr langsam, und dabei hielt er den Flaschenhals über eine Kerze.
    »Um was geht’s bei dem Spiel?«
fragte Niko.
    »Sie müssen beobachten, wann
der dunkle Satz vom Boden der Flasche in den Flaschenhals kommt. Der Satz muß
in der Flasche bleiben, sonst schmeckt der Wein muffelig. Außerdem sieht der Bodensatz
häßlich aus, wenn er im Glas rumschwimmt.«
    »Darf ich das mal machen?«
fragte Niko. »Das muß ich lernen, um meine Kunden zu beeindrucken.«
    »Gerne. Dekantieren Sie die
zweite Flasche Bordeaux. Nicht direkt in die Kerze halten, nur so, daß der
Flaschenhals beleuchtet wird.«
    Ganz langsam goß Niko den
Bordeaux über der Kerze in den Trichter auf der Karaffe.
    »Ich will auch«, kreischte
Solveig und griff nach der Kerze. »Pfoten weg!« sagte Niko so drohend, daß
Solveig mit offenem Mund die Hand zurückzog.
    »Mein Sohn könnte für mich
einen Weißwein dekantieren«, sagte Benedikts Mutter.
    »Ich befürchte, wir haben keine
Karaffe mehr«, sagte Herr Engelhardt.
    »Weißwein dekantiert man
nicht«, sagte Frau Engelhardt zu Benedikts Mutter.
    »Haben Sie Kinder?« fragte Benedikts
Mutter unvermittelt.
    »Nein.« Und Frau Engelhardt
fragte genauso unvermittelt: »Haben Sie einen Ehemann?«
    Meine Mutter hielt sich vornehm
erschrocken die Hand vor den Mund. Mein Vater räusperte sich: »Frau Windrich,
was macht eigentlich Ihr Mann beruflich? Ich meine, der Vater von Benedikt?«
    Mit abwehrender Geste sagte
sie: »Der ist weit weggezogen, schon damals, als Benedikt in den Kindergarten
kam. Sein Vater hat wieder geheiratet, eine Zahnarztwitwe, aber ohne Kinder.«
    »Und was ist er von Beruf?«
    »Als Benedikt zur Welt kam, war
sein Vater knapp vierzig, und Benedikt ist jetzt achtundzwanzig, also dürfte er
nun pensioniert sein.«
    »Als was wurde Ihr Mann
pensioniert?« Mein Vater kann furchtbar hartnäckig sein, das bringt sein Beruf
mit sich. Mich hatte er auch schon gefragt, was Benedikts Vater macht, ich
wußte es nicht, über den Vater spricht man nicht. Ich meine, kein Wunder, wenn
er die Familie verlassen hat.
    »Sein Vater war Beamter.«
    »Was haben Beamte und Robinson
Crusoe gemeinsam?« fragte Niko in die Runde. »Sie warten immer auf Freitag.«
    Mein Vater ließ nicht locker.
»Beamte gibt es vielerlei. Vom Papierkorbleerer bis zum Bundesbankchef.«
    »Wissen Sie, wie Beamte Mikado
spielen?« rief Niko. »Wer sich zuerst bewegt, hat verloren!«
    Benedikts Mutter lachte sehr.
    Mein Vater kapitulierte mit
seiner Fragerei. »Wissen Sie, Frau Windrich, wir haben zwar nicht den Bleistift
erfunden, aber wir leben in versicherten Verhältnissen.« — Endlich hatte er
seine Lebensweisheit angebracht.
    »Wir selbstverständlich auch!«
rief Frau Windrich. »Wir besitzen dieses Haus — Benedikt sagt, die modernen
Architekten würden es ein villenähnliches Großfamilien-Haus nennen, mit einer
geradezu parkartigen Gartenanlage.«
    »Dann werden wir Frau Windrich
jetzt unsere parkartige Gartenanlage
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