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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist
Autoren: Eva Heller
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berufstätig ist, ist sie bei mir krankenversichert.«
    Ich sah zu Benedikt. Hatte er
gemerkt, daß die konservative Mentalität meines Vaters wieder voll
durchgeschlagen hatte? Aber Benedikt lachte nur, er schien es nicht bemerkt zu
haben, jedenfalls tat er freundlicherweise so. Typisch mein Vater! Hauptsache
ordentlich versichert. Daß es gerade für die wichtigsten Sachen im Leben keine
Versicherung gibt, verdrängt er total. Im Grunde glaubt er sogar, die Ehe sei
eine Versicherung für die Liebe! Insgeheim freute ich mich, daß ihm Benedikts
Mutter gezeigt hatte, daß sogar eine Lehrerin fortschrittlichere Ansichten hat
als er!
    »Uneheliche Schwiegermutter!«
rief sie, »ich denke gar nicht so sehr als Mutter, ich bin eher die beste
Freundin meiner Kinder.«
    »Demnach sind Sie die beste
Freundin von Violas Freund«, sagte Herr Engelhardt.
    »Richtig! Und als beste
Freundin von Violas Freund möchte ich anregen, daß wir nun die Gläser auf
unseren Stararchitekten erheben! Wie großartig, daß er diese Begabung hat!«
    »Und diese Beziehungen«, sagte
mein Vater, erhob nun wieder sein Glas, zögerte kurz, dann erhob er sich
selbst.
     
    Wenn es eine Gelegenheit gibt,
eine Rede zu halten, dann hält mein Vater eine Rede. Mit dem Fischmesser schlug
er an sein Glas: »Liebe Gäste! Ein weiteres Ereignis, das es heute zu feiern
gilt, ist das neue berufliche Wirkungsfeld von Benedikt. Zweifellos der Beginn
einer großen Karriere!«
    Benedikt, der künftige
Stararchitekt, strahlte und lauschte, als sei alles, was mein Vater sagte,
völlig neu für ihn. Mein Vater berichtete ausführlichst, wie er erst vor zwei
Wochen seinen kleinen Bruder, den renommierten Architekten Georg Faber in
Kroneichen bei Frankfurt, angerufen hatte, ob er jetzt eine Innenarchitektin
einstellen könne? Ich sei fertig mit dem Studium, ausgezeichnetes Examen. Denn
schließlich war es sein Bruder Georg, der ihn damals überzeugt hat, daß ich
Innenarchitektur studieren durfte. Mein Vater war zuerst dagegen. Brotlos. Kein
Vergleich zu Jura. Aber ich wollte nichts anderes studieren. Deshalb jobbte ich
nach dem Abitur bei einem Antiquitätenhändler, der viel unterwegs war, um
Antiquitäten einzukaufen oder auszuliefern, ich war seine sogenannte
Ladenhüterin. Auch später während des Studiums jobbte ich aushilfsweise bei
ihm. Ein Jahr nach dem Abitur, als mein Vater sich immer noch weigerte, dieses
brotlose Studium zu finanzieren, machte ich beim Wettbewerb einer
Frauenzeitschrift mit: Aufgabe war es, ein dreißig Quadratmeter kleines
Apartment preiswert einzurichten, und ich gewann den 1. Preis! Und 5000 Mark.
Da war mein Vater beeindruckt. Und damals sagte Onkel Georg, ich sei so begabt,
und wenn seine Angela je hätte Innenarchitektur studieren wollen, hätte er es
sofort erlaubt. Und mein Onkel sagte auch, es gebe zwar nicht viele Chancen für
Innenarchitektinnen, aber für eine gute Innenarchitektin gebe es immer eine
Chance, und wenn ich mit dem Studium fertig sei, solle ich mich sofort bei ihm
bewerben. »Einen Tag nach Violas Examen rief ich also meinen Bruder an«,
berichtete mein Vater, »und als Georg sagte, eine Innenarchitektin könne er im
Moment nicht beschäftigen, aber demnächst, zuerst suche er händeringend einen
Architekten, einer seiner Mitarbeiter ist sehr, sehr krank — vermutlich Krebs,
mit nicht mal vierzig—, da sagte ich geistesgegenwärtig«, mein Vater hob
Zeigefinger und Weinglas, »ich hab den Mann, den du suchst! Violas Boyfriend,
der ist Architekt, ein Anfänger, aber der Junge ist in Ordnung, er ist
Assistent an der Uni. Ich sag dem Jungen, er soll dir seine
Bewerbungsunterlagen schicken.« Solveig kam ins Wohnzimmer gerannt, schrie:
»Ich will mehr Kindersuppe!«
    Mein Vater seufzte: »Was weiter
geschah, ist bekannt. Prost, ihr Lieben!« und setzte sich. Der eigentliche
Zweck seiner Rede, seinen Anteil an Benedikts Karriere hervorzuheben, war zur
Genüge erfüllt.
    »Viktor, das hast du toll
gemacht«, rief Benedikt, »Applaus für Viktor bitte.«
    Natürlich klatschten alle. Und
ich klatschte auch ein bißchen Benedikt zu, denn Benedikt hatte es auch toll
gemacht: Er war sofort zu meinem Onkel gefahren, um sich persönlich
vorzustellen, und natürlich war mein Onkel begeistert von Benedikt — wer wäre
das nicht!
     
    Und dann gab es Applaus für das
Steinbuttfilet im Gemüsekleid auf Currybutter mit wildem Reis! Wieder
allgemeines »hhhmmm, hhhmmm, hhhmmm«. Diese Sauce! Pur schmeckte sie am besten.
Frau
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