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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte
Autoren: Hera Lind
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zitterten. Wo schaue ich denn jetzt nach, dachte er zerstreut, unter Ä wie Ärzte oder O wie Orthopäden oder H wie Heimann?
    Verdammt. Er hätte doch etwas frühstücken sollen. Und dieser grässliche Kaffee von der Neuen war ein Granatenhagel für seine Magenwände. Er stieß einen genervten Seufzer aus. Nein, Angela war nicht zu ersetzen. Weder im Büro noch zu Hause. Er würde sie immer auf Händen tragen.

2
    »Praxis Dr. Heimwald, Sie rufen leider außerhalb der Sprechzeiten an. In dringenden Fällen hinterlassen Sie bitte eine Nachricht auf Band …«, leierte eine unpersönliche Frauenstimme ihren Spruch herunter.
    Röhrdanz knallte verärgert den Hörer auf die Gabel, schnappte sich sein Sakko und beschloss, kurzerhand mit dem Auto zur Orthopädiepraxis zu fahren. Irgendwo dort musste Angela schließlich stecken. Vielleicht saß sie wirklich im Café an der Ecke und gönnte sich mal wieder ein ruhiges Stündchen mit Kaffee und Kuchen und einer Illustrierten. Es sollte ihr von Herzen vergönnt sein. Danach könnte er gleich Denise und Philip von der Oma abholen und seiner Schwiegermutter die Tränen trocknen. Tja, Röhrdanz, dachte er, du hast das Gesamtpaket geheiratet. Schade, dass Angelas Vater Gerd schon tot ist. Jetzt bin ich der einzige Mann in der Familie, und an mir bleibt letztlich alles hängen. Oliver steckte mitten in der Pubertät, und Christian war bereits ausgezogen. Im Moment war er ohnehin nicht greifbar, er machte gerade mit seiner Freundin Urlaub in Mexiko.
    Ungehalten legte er auf dem Parkplatz des Verlagsgebäudes den Rückwärtsgang ein. »Dabei hat der Tag so schön angefangen«, murmelte er, während er mit quietschenden Reifen wendete. »Ich war so gut wie fertig mit
der verdammten Kalkulation. Und jetzt muss ich mich morgen wieder um den Blödsinn kümmern!«
    Zum Glück hatte Richard, sein verständnisvoller Chef, nichts dagegen, dass er sich heute Nachmittag freinahm. »Stress mit der Familie, was?«, hatte er lächelnd angemerkt, und Röhrdanz hatte versprochen, die versäumten Stunden gleich morgen früh nachzuholen.
    »Kein Problem, Michael, du bist einer unserer zuverlässigsten Mitarbeiter. Grüß mir die Angela, sie soll sich ein bisschen schonen.«
    »Genau meine Rede«, hatte Röhrdanz noch im Weggehen gemurmelt und heimlich einen Dankesgruß zum Himmel geschickt, weil er so einen tollen Chef hatte.
    Die Praxis des Orthopäden hatte gerade wieder aufgemacht, jedenfalls war die Tür nur angelehnt. Die beiden Arzthelferinnen schienen soeben mit ein paar kleinen Einkaufstüten aus der Mittagspause zurückgekehrt zu sein. »Na, das war ja ein Ding«, sagte die eine gerade, »ich bin total geschafft.« Sie ließ sich auf ihren Drehstuhl hinter der Anmeldung fallen, suchte nach ihrem Taschenspiegel und sah prüfend hinein. »So was erlebst du nicht alle Tage.«
    »Aber die war ja völlig zu«, hörte Röhrdanz die andere sagen, die sich gerade ihren weißen Kittel zuknöpfte. Prüfend senkte sie ihr Kinn und öffnete dann den Knopf über dem Busen wieder. »Der eine Sani war aber ein Schnuckel, was?«
    »Welcher?«, fragte die mit dem Taschenspiegel desinteressiert und schürzte die Lippen, um sie sich nachzuziehen.

    »Ach komm schon, du weißt genau, welchen ich meine! Bestimmt nicht den dicken Pickeligen mit dem Stoppelbart!«
    »Na ja, der andere war bestimmt ein Zivi … voll süß irgendwie. Ich glaub, den habe ich schon mal in der Disco gesehen, der hat aber eine Freundin, soviel ich weiß.«
    »Aber wie der mich angeguckt hat! Der wollte doch eindeutig was von mir.«
    »Da ist jemand …«, zischte die mit dem Spiegel und ordnete mit einer fahrigen Handbewegung ihre rötliche Lockenpracht. »Wir haben ab 14 Uhr wieder geöffnet«, sagte sie in geschäftsmäßigem Ton.
    »Röhrdanz«, sagte Röhrdanz. »Ich will nur meine Frau abholen.«
    Die Reaktion der beiden Grazien hätte ihn irritieren müssen. Beide senkten rasch den Blick und beschäftigten sich plötzlich mit irgendwelchen Unterlagen. Ihre fahrigen Handbewegungen verrieten, dass sie urplötzlich nervös geworden waren.
    »Der Doktor ist noch zu Tisch«, sagte die mit dem Kittel gestelzt.
    »Aber nicht mit meiner Frau, oder?«
    »Nee, die ist schon vorher abgeholt worden«, platzte die Rothaarige heraus.
    »Na, dann ist ja gut«, sagte Röhrdanz erleichtert und wandte sich zum Gehen. In der Tür drehte er sich noch einmal um: »Sie wissen nicht zufällig von wem? Ich meine, war es ein großer junger Mann, so eins
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