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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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langsamen Boogie. Die halten wohl doch noch zusammen, dachte Esaias. Versuchen es noch einmal.
    Mitten im Gewimmel konnte er millimeterkurz geschnittene Haare entdecken, von einer Traube begeisterter Damen umgeben. Der Mann hatte etwas Bekanntes an sich, wo hatte er ihn schon mal gesehen, in der Zeitung?
    »Nederhed«, Therese zeigte in die Richtung. »Sind heute Abend tatsächlich alle hier?«
    »Offensichtlich alle Tornedaler«, nickte Esaias. »Da ist der Minister.«
    Sie konnte ein bekanntes Profil im Tanzgewühl entdecken.
    »Thomas Östros?«, fragte sie.
    »Hat Wurzeln in Junosuando. Seine Familie hieß früher Waaranperä. Und der Typ da kommt aus Olkamangi. Oder seine Mutter, besser gesagt.«
    Therese erkannte den Duft, eine Spur von Chemie. Eine merkwürdige, metallische Medizin, oder …
    »Ånderman!«
    »Darf ich bitten«, sagte er und verbeugte sich locker wie in einer Tanzschule in den Fünfzigern.
    »Deine Mutter ist also aus Tornedal«, rief Therese aus. »Deine Mutter! Die Botschafterin!«
    Ånderman lenkte sie ruckweise herum, wie die alten Zahnräder im Technischen Museum.
    »Ich habe gehört, dass du nach Pajala ziehst«, sagte er.
    »Ich hätte doch nur Streifendienst schieben müssen«, brummte sie. »Doris' Tanzfreunde haben mich angezeigt.«
    »Ich hätte dir helfen können.«
    Jetzt wurde es ihr klar. Es war keine Medizin. Es war das Rasierwasser.
    »Deine Mitochondrien-DNA«, fuhr er fort. »Ich habe jetzt das Ergebnis. Weißt du, dass du und ich die gleiche Abstammung haben?«
    »Du willst doch wohl nicht damit sagen, dass wir verwandt sind?«
    »Nun ja, so vor siebentausend Jahren. Unsere Stammmutter wird Velda genannt, ungefähr fünf Prozent aller Europäer stammen von ihr ab, unter anderem auch die Samen.«
    »Dann hätten wir Rentierzüchter werden können, du und ich. Zu einer anderen Zeit.«
    Ånderman zog aus seiner Jackentasche ein Taschentuch heraus und hielt es sich vor den Mund. Er nieste kräftig, seine Brille beschlug leicht.
    »Das wird wohl lebenslänglich?«, fuhr sie fort. »Für die Trickdiebe?«
    »Vermutlich.«
    »Für mich auch«, lächelte sie. »Lebenslänglich. Nur weil du dafür gesorgt hast, dass ich die Ermittlungen leite.«
    »Denkst du an Esaias?«
    »Ja, du bist ja schuld daran, dass wir zusammengekommen sind. Du und Martin Udde.«
    Ånderman legte das Taschentuch sorgfältig wieder in den Falten zusammen, wie er es schon als Kind gelernt hatte. Er nahm Anlauf, noch etwas zu sagen. Es lag parat, ebenfalls zusammengefaltet.
    »Und was sagt deine Mutter dazu, Therese?«
    »Wieso? Sie ist wieder auf Kreta.«
    »Auf Kreta?«
    »Ja, Kreta …«
    Hinten im Gedränge an der Bar bekam Esaias einen Stoß.
    »Oh, Entschuldigung.«
    Esaias drehte sich nach der Stimme um. Ein dunkelhäutiger Mann stellte sich direkt neben ihn, er hatte etwas Bekanntes an sich.
    »Jan Evert Herdepalm«, stellte sich der Dunkle vor. »Ich muss einfach eine Frage stellen.«
    »Und welche?«
    »Ja, es ist so merkwürdig. Ich meine, hier im finstersten … Pajala.«
    Der Mann hatte sich unverschämt weit vorgebeugt und streckte jetzt seine Finger aus. Vorsichtig ergriff er die Halskette, die Therese Esaias gegeben hatte, die Silberkette mit der kleinen Nuss, die Therese in ihrer Schreibtischschublade versteckt hatte.
    »Ich bin Biologe«, fuhr der Dunkle fort, »und ich bin einfach schrecklich neugierig. Wo um alles in der Welt hast du das her?«
    »Von einem Mädchen.«
    »Das ist aus Namibia«, sagte er. »Wusstest du das? Ich habe das Gleiche bei Otjozondu gesehen.«
    »Aus Afrika?«
    »Ein Liebesamulett. Es funktioniert immer. Aber ich habe es noch nie an einem Weißen gesehen.«
    Mit einer geschmeidigen Bewegung huschte Jan Evert fort in das Tornedalsche Gewimmel.
    »Warte doch!«, rief Esaias. »Du musst mir mehr erzählen. Was ist das?«
    »Wieso, weißt du das nicht?«
    Jan Evert stand im Mahlstrom zwischen zwei Musikern, Hunderten von Paaren, die den Tanzboden verließen, und Hunderten neuen, die einander aufforderten.
    »Sind das Hoden?«, fragte Esaias.
    Jan Evert schüttelte lachend den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Das nennt sich ngongo. Man findet sie während der Trockenzeit in ausgetrockneten Flussbetten, unten im Sediment. Dort überleben sie.«
    »In afrikanischen Flüssen?«
    »Ngongo bedeutet wörtlich übersetzt Leben. Diese Kugel, die du da hast, besteht aus Hunderten von Fischembryonen. Leg sie über Nacht ins Wasser, und hokus pokus! Dann hast du einen ganzen
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