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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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hochgewachsener Mann mit ruhigem Blick, schnellen Bewegungen und blütenweißer Jacke.
    »Eiswasser?«
    »Ja, warum nicht.«
    »Eben«, sagte der Barkeeper. »Spitze. Ein doppelter Whisky mit Eiswasser. Einfach superb.«
    Martin Beck blieb vier Stunden auf dem Barhocker sitzen. Er sagte nichts mehr, zeigte nur hin und wieder auf sein Glas. Der Mann in der weißen Jacke sagte auch nichts. So war es am besten.
    Martin Beck betrachtete sein Gesicht in dem rauchfarbenen Spiegel hinter der Reihe Flaschen. Als das Bild zu verschwimmen begann, bestellte er sich ein Taxi und fuhr nach Hause. Schon in der Diele fing er an, sich auszuziehen.

26
    Martin Beck erwachte aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Die Bettdecke war zu Boden gerutscht, und er fror. Als er aufstand, um die Balkontür zu schließen, hatte er Blitze vor den Augen. Hinter seinen Schläfen dröhnte es, und sein Gaumen fühlte sich rau und trocken an. Er ging ins Badezimmer und spülte mühevoll zwei Schmerztabletten mit einem Becher Wasser hinunter. Dann legte er sich wieder ins Bett, zog die Decke hoch und versuchte, noch einmal einzuschlafen. Nach ein paar Stunden Halbschlaf voller Albträume stand er auf und duschte lange, bevor er sich langsam anzog. Dann ging er auf den Balkon, stützte die Ellbogen aufs Geländer und das Kinn in die Hände. Der Himmel war hoch und klar, und die kühle Morgenluft kündigte schon den Herbst an. Er beobachtete eine Weile einen fetten Dackel, der in dem kleinen Gehölz vor dem Haus gemächlich von Baum zu Baum wackelte. Grünanlage wurde das genannt, verdiente den Namen aber kaum. Die Erde zwischen den Kiefern war mit Kiefernnadeln und Müll bedeckt, und das bisschen Gras, das es im Frühsommer dort gegeben hatte, war längst niedergetrampelt.
    Martin Beck ging ins Schlafzimmer zurück und machte das Bett. Dann lief er eine Weile rastlos durch die Zimmer, verstaute ein paar Kleinigkeiten und Bücher in seiner Aktentasche und verließ die Wohnung.
    Er fuhr mit der U-Bahn bis Slussen. Das Schiff legte erst in einer guten Stunde ab, also spazierte er langsam den Skeppsbrokajen in Richtung Strömbron entlang. Am Kai von Blasieholmen lag mit ausgelegter Gangway sein Schiff; ein paar Besatzungsmitglieder stapelten Kisten auf dem Vordeck. Martin Beck ging noch nicht an Bord, sondern schlenderte weiter bis Skeppsholmen. In dem Lokal auf dem Jugendherbergsschiff af Chapman trank er eine Tasse Tee, was auf der Stelle seine Übelkeit steigerte.
    Eine Viertelstunde vor dem Ablegen des Schärenschiffs, das jetzt unter Dampf gesetzt war und aus dessen Schornstein weißer Rauch qualmte, ging er an Bord. Er setzte sich an Deck auf denselben Platz wie vor zwei Wochen, als sein Urlaub begann. Jetzt würde ihn nichts mehr daran hindern, diesen zu beenden, dachte er. Allerdings empfand er nun beim Gedanken an die freie Zeit und die Insel keine Freude und keinen Enthusiasmus mehr.
    Die Maschine stampfte, das Schiff setzte zurück, die Dampfpfeife heulte, und Martin Beck beugte sich über die Reling und starrte in die schäumenden Wasserwirbel. Das Sommerferiengefühl war weg, er fühlte sich einfach nur miserabel. Nach einer Weile ging er nach unten ins Café und trank ein Mineralwasser. Als er an Deck zurückkehrte, war sein Platz von einem feisten, rotwangigen Mann in Sportanzug und Baskenmütze besetzt. Noch ehe Martin Beck den Rückzug antreten konnte, stellte sich der Fette vor und ließ einen überschwänglichen Wortschwall über die Schönheit der Schären auf ihn los. Martin Beck hörte apathisch zu, während der Mann auf die Inseln zeigte, an denen sie vorbeifuhren, und ihre Namen nannte. Schließlich gelang es ihm, die einseitige Konversation zu beenden und vor dem Schärenkenner in den Salon auf dem Achterschiff zu flüchten.
    Den Rest der Fahrt lag er im Halbdunkel auf einem der harten Plüschsofas und beobachtete den Staub, der in dem grün schimmernden Licht tanzte, das durch die Bullaugen fiel. Nygren wartete in seinem Motorboot am Dampferanleger. Als sie sich der Insel näherten, stellte er den Motor ab und ließ das Boot langsam an der Stegnock vorbeigleiten, sodass Martin Beck an Land springen konnte. Dann ließ er den Motor wieder an, winkte und verschwand hinter der Landzunge. Martin Beck ging zum Häuschen hinauf. Im Lee hinter dem Giebel lag seine Frau nackt auf einer Decke und sonnte sich. »Hallo.«
    »Hallo. Ich habe dich gar nicht kommen hören.«
    »Wo sind die Kinder?«
    »Mit dem Boot draußen.«
    »Aha.«
    »Wie war
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