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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte
Autoren: Ignatius David
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Leiche aber keinen Laptop bei sich haben würde, schlug Azhar vor, das Ganze per SMS zu machen. Weil alle das für eine gute Idee hielten, verfasste er auf «Denises» Handy zwei kurze Mitteilungen. Die eine lautete nur: «Du böser Junge!», die andere «Baby, du fehlst mir. Komm bald zurück. Dee.» Das war sexy, aber nicht zu explizit, geschweige denn ordinär. Trotzdem meinte Hoffman, Harry solle unbedingt ein Kondom in der Brieftasche haben für den Fall, dass sich im Ausland ein kleiner Seitensprung ergab. Und um ein paar gesendete Nachrichten würden sie sich auch noch kümmern.
    Meekers Handy zu präparieren machte eine ganze Menge Arbeit. Azhar tippte Denises Nummer und die der US AID-Zentrale ein und dazu die – frei erfundene – einer weiteren Freundin, die er «Sheila» nannte, sowie die eines imaginären Freundes namens «Rusty», dessen Telefonnummer in Wirklichkeit die von Azhars Privatanschluss war. Außerdem rief er das Handy von diversen Telefonen in der CIA-Zentrale an. Wer sich auskannte, konnte diese Nummern ohne große Mühe erkennen, weil sie alle mit 482 begannen. Aber das waren nicht die einzigen Leckerbissen, die Azhar in den Listen der eingegangenen und getätigten Anrufe platzierte. Unter anderem waren hier die Nummern diverser Restaurants in der Nähe der CIA-Zentrale sowie des Pentagons zu finden, ebenso wie die der amerikanischen Botschaften in Islamabad und Tiflis. Jeder Eintrag in solchen Listen war eine digitale Spur, und wenn man den Spuren auf diesem Handy nur lange genug folgte, kam man unweigerlich zu dem Schluss, dass sein Besitzer ein geheimes Doppelleben führte.
    An einem Tag im Spätherbst sollte der Leichnam in einem speziell für diesen Zweck von Hoffman eingerichteten Kühlraum unter dem nördlichen Parkplatz der CIA-Zentrale eingekleidet werden. Harrys tiefgekühlte Haut hatte die Farbe von vergilbtem Elfenbein, und sein Haar war ein wenig struppig geworden, weshalb sie es ganz kurz schnitten und ihm damit eine Art Bruce-Willis-Look verpassten. Als Harry so nackt vor ihnen auf der Bahre lag, konnte man seinen Hodenhochstand deutlich sehen.
    «Zieht ihm schleunigst eine Unterhose an», brummte Hoffman und schlug einen Slip vor, aber Azhar schüttelte skeptisch den Kopf und sagte: «Passt nicht zu ihm.» Schließlich entschieden sie sich für ausgewaschene Boxershorts und streiften sie dem Toten über. Kurz überlegten sie, ob sie ihm auch ein Unterhemd anziehen sollten, fanden das dann aber doch zu spießig. Hemd und Hose bereiteten ihnen relativ wenig Probleme, aber bei den Schuhen verhielt es sich anders, weil sich die gut gekühlten Füße weder an den Zehen noch an den Knöcheln bewegen ließen. Schließlich musste Hoffmans Sekretärin einen Reiseföhn kaufen, mit dessen Hilfe sie die Füße ein wenig antauen und beweglich machen konnten.
    Zu guter Letzt steckten sie der Leiche noch eine Brieftasche mit Ausweisen, Rechnungen und Kreditkartenbelegen ins Jackett und füllten die Hosentaschen mit allem möglichen Krimskrams, der Harry Meeker nicht nur ein Stück glaubwürdiger machen, sondern auch zu seiner Enttarnung als CIA-Agent beitragen würde. Unter den Kreditkartenbelegen waren auch welche vom Afghan Alley, einem Restaurant in McLean, wo CIA-Leute häufig ihre Mittagspause verbrachten, sowie von der Kinkead’s Colvin Run Tavern in Tyson’s Corner, in der ein Abendessen für zwei Personen schon mal zweihundert Dollar kostete und die von Agenten wie Harry gern aufgesucht wurde, wenn es darum ging, mit ihren Freundinnen irgendwelche Spesengelder zu verbraten. Harry schien es wirklich ernst zu meinen mit Denise. Darauf wies auch die Geschäftskarte eines Juweliers in Fairfax hin, auf deren Rückseite Ferris handschriftlich «2 Karat – 5 000 Dollar?» notiert hatte. Offenbar dachte Harry an einen Verlobungsring, kämpfte aber noch mit seiner Knauserigkeit. Auf Azhars Anregung hin gaben sie ihm auch noch einen Abholschein für eine Reinigung im McLean Shopping Center in die Brieftasche. Schließlich vergaßen die Leute ständig, ihre Sachen von der Reinigung abzuholen, bevor sie auf eine längere Reise gingen. Auch eine Tankquittung von der Exxon-Station an der Route 123, die direkt vor der CIA-Zentrale lag, ging auf Azhars Initiative zurück. Sie war ein ebenso liebevolles Detail wie der Gutschein für eine Gratis-Autowäsche bei einer Waschstraße in Alexandria, direkt neben Harrys Wohnhaus.
    Hoffman wollte, dass Harry einen iPod besaß, und eine Zeit lang
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