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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte
Autoren: Ignatius David
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dass du dein Leben genau so weiterführst wie bisher. Du sollst kein Verräter werden, auch kein schlechter Muslim, und du sollst auch sonst nichts tun, was haram wäre. Wir wollen nur, dass du unser Freund bist. Und ein guter Sohn.»
    «Sie wollen, dass ich als Agent für Sie arbeite.»
    «Aber nein. Das verstehst du ganz falsch. Wir besprechen das alles später. Zunächst möchte ich dir ein Telefon geben, damit du mich jederzeit anrufen kannst.» Hani reichte ihm ein kleines Handy, das Mustafa so misstrauisch beäugte, als hielte er es für eine Bombe, die jeden Moment hochgehen konnte.
    «Wir treffen uns morgen an einem sicheren Ort, wo wir uns unterhalten können», fuhr Hani fort. Er gab Mustafa eine Karteikarte, auf der eine Adresse in einem anderen Berliner Vorort stand. «Präg dir diese Adresse ein und gib mir dann die Karte zurück.»
    Mustafa wandte den Blick ab. Irgendwie schien er dem Netz doch noch entkommen zu wollen, das sich immer enger um ihn zog. «Und wenn ich nein sage?», fragte er. Seine Stimme bebte leicht dabei.
    «Das würde deine Mutter sehr unglücklich machen. Sie ist so stolz auf dich. Du bist Gottes Geschenk an eine alte Frau. Und deshalb weiß ich auch, dass du nicht ablehnen wirst.»
    Die Worte klangen sanft, doch Hanis Blick sprach eine andere Sprache. Mustafa erkannte, dass es keinen Ausweg gab. Er schaute wieder auf die Karteikarte, studierte die Adresse zehn Sekunden lang und schloss dann die Augen.
    «Gib mir die Karte, wenn du so weit bist», sagte Hani. Der junge Mann warf einen letzten Blick darauf und gab ihm die Karte zurück.
    «Braver Junge.» Hani lächelte ihn aufmunternd an. «Dann sind wir uns also einig. Wir treffen uns morgen um vier in der Händelstraße 23. Du klopfst an die Tür und fragst, ob Abdul-Aziz da ist. Ich werde mit der Frage kontern, ob du Mohsen bist, darauf sagst du ja. Das ist unser Erkennungszeichen. Ich bin Abdul-Aziz, du bist Mohsen. Falls du morgen Nachmittag nicht kommen kannst, kommst du am darauffolgenden Vormittag um zehn zur selben Adresse und verwendest dieselben Namen. Hast du das verstanden?»
    Mustafa nickte.
    «Falls du vorhast, uns hereinzulegen und zu fliehen, werden wir dich finden. Und falls du versuchst, Freunde zu kontaktieren, erfahren wir ebenfalls davon. Wir beobachten dich Tag und Nacht. Wenn du Dummheiten machst, schadest du dir selbst und den Menschen, die du liebst. Also mach keine Dummheiten. Hast du mich verstanden?»
    Der junge Mann nickte ein zweites Mal.
    «Jetzt wiederhol die Namen, die Uhrzeiten und die Anschrift.»
    «Abdul-Aziz und Mohsen. Morgen Nachmittag um vier, und falls ich das nicht schaffe, übermorgen um zehn. Die Anschrift ist Händelstraße 23.»
    Der Chef der jordanischen Geheimpolizei nahm Mustafa bei der Hand und zog ihn ganz nah zu sich, und Mustafa küsste den Älteren folgsam auf beide Wangen. «Möge Gott dich beschützen», sagte Hani.
    «Gott sei gepriesen», erwiderte der junge Mann. Er sprach so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte.
    Am selben Abend – sie saßen an einem ruhigen Tisch in einem halb leeren Restaurant am Kurfürstendamm – stellte Ferris Hani eine Frage. Eigentlich hätte er am liebsten geschwiegen und einfach nur in der Stille den letzten gerade verklungenen Tönen nachgelauscht, wie ein Konzertbesucher nach einem unvergesslichen Kunstgenuss. Aber er musste ihn einfach fragen.
    «Kann der Mann uns mit dem Anschlag in Mailand weiterhelfen?» Etwas anderes würde die Jungs an den Schreibtischen der Nahost-Abteilung nicht interessieren.
    «Nun, das will ich doch sehr hoffen. Und falls nicht mit diesem Anschlag, dann doch sicherlich mit dem nächsten oder auch mit dem übernächsten. Das ist ein langwieriger Krieg. Es wird noch viele Angriffe geben. Jetzt haben wir einen neuen Faden des Netzes in der Hand, und dem werden wir folgen. Wenn wir wissen, wohin er führt, werden wir vielleicht auch all die Anschläge begreifen. Glauben Sie nicht?»
    Ferris nickte. Im Grunde war das keine Antwort, zumindest keine, die die Bürohengste verstehen würden. Sie würden wissen wollen, warum er denn nun eigentlich mit dem Jordanier bis nach Berlin gereist war, wenn er doch gar nichts erfahren hatte. Und das war ja auch eine durchaus berechtigte Frage.
    «Warum haben Sie mich überhaupt mitgenommen?», fragte er beherzt. «Ich war doch eigentlich überflüssig.»
    «Weil ich Sie mag, Roger. Sie sind klüger als die Leute, die Ed Hoffman uns bisher nach Amman geschickt hat. Ich wollte,
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