Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
I
    Tag eins:
    den subtilen Mechanismus des Todes
    kannte ich besser als jeder andere
     
     
    Wirklich, ich würde eine ganze Menge Leute umbringen müssen!
    »Weitergehen, Avery!«
    Es gefiel mir nicht, wie er mich mit dieser verzerrten Stimme immer weiter Avery nannte, als kenne er mich. Das machte mich nervös. Von einem aus der eigenen Organisation verraten und verkauft und geradewegs in einen Hinterhalt gelockt zu werden, das war das eine; so etwas passierte nun mal. Aber wenn man für eine Prämie verkauft wurde, dann stand zu erwarten, dass damit eigentlich erst eine ganze Reihe erstaunlicher Weiterverkäufe begänne. Ganz zum Schluss würde man erst herausfinden, dass die erste Prämie von irgendeinem chinesischen Gangster ausgelobt worden wäre, der irgendwo auf der anderen Seite der Welt hauste. Und ich war damals wirklich richtig viel Kohle wert: Avery Gates, der Cop-Killer.
    So war das, wenn man im System erfolgreich war: Man bekam automatisch eine Zielscheibe angeheftet.
    Es war kalt. Schneidender Wind trieb mir einen metallischen Geruch in die Nase, und das mit Nachdruck. Ich vermutete, dass mich hier etwa zehn bis zwölf Gestalten umstanden, auch wenn bislang erst zwei von denen etwas gesagt hatten. Die beiden Wortführer klangen, als würden sie Digital-Modulatoren benutzen, um ihre Stimmen zu verändern. Das brachte mich zu der Frage, ob ich wohl die Dreckskerle kannte, die mich verraten und verkauft hatten. Zorn wallte in mir auf, grün und beißend. Ich arbeitete nie mit jemandem zusammen, den ich nicht kannte. Also musste mich ein Freund ans Messer geliefert haben, und das machte mich wütend. Wäre ich ein Psioniker gewesen – egal wie talentiert, eine Winzigkeit hätte schon ausgereicht-, dann wäre ich in der Lage gewesen, allein mit der Kraft meiner Gedanken diese Augenbinde fortzubrennen. Aber so konnte ich mich nur auf mein Gehör verlassen und versuchte so, irgendwelche Hinweise aufzuschnappen. Ich brauchte Hinweise, um hierher zurückkommen und jeden Einzelnen von denen umbringen zu können.
    Dieses Avery ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
    Ich wusste nicht, wie lange ich bewusstlos gewesen war. Gerade eben hatte ich noch auf der Hudson Street gestanden und zugeschaut, wie die blasse Sonne sich durch schaumige Wolken zu kämpfen versuchte. Gelblicher, beißend-saurer Schnee hatte unter meinen Füßen geknirscht. Und dann war da diese Explosion gewesen, hinter mir, rot und gelb und orange. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich an Bord eines Schwebers. Man hatte mir die Augen verbunden und meine Handgelenke mit gummiartigen Fesseln zusammengeschnürt. Der Schweber verriet mir, dass die Leute, die mich ›gekauft‹ hatten, ziemlich einflussreiche Gestalten sein mussten – für so eine Karre brauchte man Geld, und zwar jede Menge davon. Sofort fühlte ich mich besser: Wenn man mich schon verkaufte wie irgendeine Handelsware, dann wollte ich wenigstens, dass dahinter Leute steckten, die es wirklich ernst meinten. Leute, bei denen ich mich nicht schlecht fühlen musste, wenn ich sie umbrachte.
    Ich versuchte, mit ruhigem Schritt weiterzugehen. Der Boden war allerdings uneben, und immer wieder stolperte ich.
    Die Welt bestand nur noch aus endlos heulendem Wind, der mir entgegenpeitschte. Ich musste gegen diesen Wind ankämpfen, mich ihm entgegenwerfen. Ich keuchte bereits vor Anstrengung. Der eisige Boden unter meinen Füßen knirschte, als lägen dort zahllose winzige Vogelknochen, während ich mich immer weiterkämpfte. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Es gab hier Gebäude – das vermutete ich zumindest anhand der Echos, die ich hörte –, aber es gab keine Leute. In den Vororten von Manhattan mangelte es nun wirklich nicht an Geisterstädten; also half mir das nicht gerade dabei, meine Umgebung irgendwie einzugrenzen. Wenn man eine Stunde lang in eine beliebige Richtung ging, landete man unweigerlich in einer menschenleeren Stadt, in der es nur einsturzgefährdete Gebäude und reichlich Spuren irgendwelcher Ausschreitungen gab. Hin und wieder schlugen irgendwelche Gangs dort ihr Lager auf und übernahmen diese Städte zur Gänze. Doch die Cops waren ziemlich gut darin, derartigen Scheiß sofort zu unterbinden. Und so breitete sich die ländliche Gegend von Jahr zu Jahr weiter aus, und die Mahnmale an die Zeit vor der Vereinigung verschwanden mehr und mehr von der Landkarte.
    Nur für den Fall, dass uns irgendjemand beobachtete, gestattete ich mir die ganze Zeit über ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher