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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte
Autoren: Ignatius David
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tätig war, stellten sie für ihn auch noch einen Ausweis von der USAID aus sowie Visitenkarten mit seiner Privat- und seiner Geschäftsnummer. Deren erste drei Ziffern – 712 – waren echt, aber wenn man dann die Nummer der Nebenstelle wählte, meldete sich ein Anrufbeantworter mit einer Stimme, die gerade so verdächtig klang, dass man dahinter keine richtige Sekretärin, sondern die Tarnung eines Agenten vermutete. Hoffmans Leute besorgten Meeker einen Mietparkplatz vor dem Reagan Building in der Pennsylvania Avenue, wo die AID ihre Zentrale hatte, und dazu ein Kärtchen für seine Brieftasche, auf dem die Nummer des Stellplatzes verzeichnet war. All diese Dinge waren eher einfach zu beschaffen und gehörten mehr oder weniger zum üblichen Prozedere, mit dem die CIA jemandem zu einerfalschen Identität verhalf Harry Meeker hatte damit zwar Papiere, ein richtiger Mensch war er aber noch nicht.
    Als solcher brauchte er zunächst einmal Kleidung. Um die auszusuchen, war Hoffman, der sich überhaupt nichts aus Mode machte und alles anzog, was seine Frau ihm vom Herrenausstatter mitbrachte, nicht der geeignete Mann. Deshalb wurde Sami Azhar zu Nordstrom’s geschickt, wo sich die aufstrebenden Manager in Nordvirginia einkleideten: modisch, aber doch seriös. Der Harry Meeker, den sie vor Augen hatten, war ein ehrgeiziger CIA-Agent, der bei der Abteilung für Terrorabwehr in der Zentrale Karriere machen wollte, ein überdurchschnittlich begabter Bursche, der ziemlich gut Arabisch sprach und ausgebufft genug war, um auch heikle Missionen zu übernehmen. Bis jetzt wussten sie noch nicht, wo er letztendlich hintransportiert werden sollte, aber es war gut möglich, dass es die Nordgrenze von Pakistan sein würde, wo es empfindlich kalt werden konnte. Deshalb kaufte Azhar einen wärmeren Blazer, eine wollene Dockers-Hose mit Bügelfalten, ein weißes Hemd und ein paar feste Schuhe mit Gummisohlen, die man sowohl in der Stadt als auch draußen im Gelände tragen konnte. Die Kleidung konnte man mehrmals reinigen lassen, bis sie aussah, als würde sie schon länger getragen, aber mit den Schuhen war das eine andere Sache. Selbst nachdem Azhar sie absichtlich verschrammt hatte, wirkten sie immer noch wie neu und nicht so, als hätten echte, schwitzende Füße darin gesteckt. Die Lösung war schließlich, dass Azhar selbst eine ganze Woche lang damit herumlief, wobei er ein zweites Paar Socken tragen musste, um sich keine Blasen zu holen.
    Als Nächstes war Harry Meekers Privatleben dran. Ferris hatte festgelegt, dass er unbedingt geschieden sein musste. Dieses biographische Detail erwartete man nun einmal von einem CIA-Mitarbeiter: dass er seine erste Frau verlassen hatte und sich munter durch die Gegend vögelte. Als Hinweis auf die Scheidung verfasste Azhar den Brief eines Anwalts, der Meekers imaginäre Ex-Frau vertrat. Darin ließ «Amy» ihrem Ex-Mann mitteilen, dass er die Alimente künftig an eine neue Adresse zu senden habe und dabei keinesfalls persönlich Kontakt mit ihr aufnehmen dürfe. Hatte die Frau einen anderen, oder war Meeker einfach nur ein Mistkerl? Beides erschien plausibel.
    Nun brauchte Harry Meeker noch eine Freundin. Sie sollte nicht nur hübsch sein, sondern auch sexy, denn alle Welt – Dschihadisten mit eingeschlossen – wusste aus den James-Bond-Filmen, dass ein richtiger Geheimagent grundsätzlich nur mit einer Superbraut herummachte. Hoffman wollte ein Foto von einer Blondine mit großen Brüsten im knappen Bikini, aber Azhar war dagegen, weil ein solcher Pamela-Anderson-Verschnitt doch ein wenig zu dick aufgetragen gewesen wäre. Meekers Freundin sollte zwar sexy sein, aber andererseits auch so aussehen, als könnte sie ebenfalls für die CIA arbeiten. Ferris hatte schließlich die zündende Idee: Warum nahmen sie nicht einfach eine Afroamerikanerin? Das war gerade so unwahrscheinlich, dass es schon wieder glaubwürdig wirkte. Hoffman fragte seine Sekretärin – eine dunkelhäutige Schönheit mit einem umwerfenden Lächeln ob sie nicht in einer tief ausgeschnittenen Bluse für ein Bild posieren wolle. Denise war einverstanden, und weil auch ihr Name genau den richtigen Klang hatte, bat Hoffman sie gleich noch, auf den Abzug «Für Dich, Baby. In Liebe, Denise» zu schreiben und darunter ein kleines Herzchen zu malen.
    Ferris hatte auch einen Liebesbrief in Erwägung gezogen, die Idee dann aber wieder verworfen, weil in Zeiten von E-Mail kein Mensch mehr Liebesbriefe schrieb. Da Harry Meekers
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