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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Autoren: Jonathan Stroud
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Bartimäus
    Jerusalem, 959 v. Chr.
     
    1
     
    S onnenuntergang über den Olivenhainen. Der Himmel errötete pfirsichfarben wie ein verschämter Jüngling beim ersten Kuss. Durch die offenen Fenster wehte ein kaum spürbarer Windhauch, der die Düfte des Abends hereintrug. Er verfing sich im Haar der jungen Frau, die allein und in Gedanken versunken in der Mitte des Raumes auf dem Marmorfußboden stand, und ließ ihr Gewand um die schlanken, gebräunten Glieder flattern.
    Sie hob die Hand. Schmale Finger spielten mit einer Locke.
    »Warum so schüchtern, mein Herr?«, raunte sie. »Kommt näher und lasst Euch betrachten.«
    Der alte Mann im Pentagramm gegenüber ließ die wachsbeschichtete Tonrolle sinken und funkelte mich mit dem gesunden Auge ärgerlich an. »Bei Jehova, Bartimäus! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Masche bei mir zieht?«
    Ich klimperte betörend mit den Wimpern. »Wenn du ein Schrittchen näher trittst, tanze ich für dich. Das willst du dir doch nicht etwa entgehen lassen? Ich führe dir den Tanz der Sieben Schleier vor.«
    »Nein danke«, sagte der Zauberer gereizt. »Und das kannst du auch bleiben lassen.«
    »Was denn?«
    »Dieses… dieses Gewackel. Da! Schon wieder!«
    »Ach, komm schon, Kumpel, reg dich ab. Was passt dir denn nicht?«
    Mein Herr stieß einen Fluch aus. »Womöglich dein gespaltener linker Fuß. Vielleicht auch dein schuppiger Schwanz. Oder aber der Umstand, dass jedes Neugeborene weiß, warum man auf keinen Fall aus dem Schutzkreis treten darf, wenn man von einem tückischen, doppelzüngigen Geist wie dir dazu aufgefordert wird. Und jetzt schweig endlich, verfluchte Kreatur der Luft, und verschone mich mit deinen elenden Versuchungen oder ich verpasse dir eine Pestilenz, wie sie nicht einmal das ägyptische Weltreich erleiden musste.« Der alte Knabe spulte sich ganz schön auf. Sein Atem ging schwer und das weiße Haar stand ihm um den Kopf wie ein wirrer Heiligenschein. Er zog einen Griffel hinter dem Ohr hervor und kritzelte mit grimmiger Miene etwas in die Wachsschicht der Tonrolle. »Der nächste Eintrag, Bartimäus. Wenn die Zeile voll ist, ist ein für alle Mal Schluss mit den Vergünstigungen, verstanden? Keine gebratenen Kobolde mehr, keine Freizeit, gar nichts. Und jetzt habe ich einen Auftrag für dich.«
    Die Maid im Pentagramm verschränkte die Arme und rümpfte das niedliche Näschen. »Ich habe eben erst einen Auftrag abgeschlossen.«
    »Stimmt. Und jetzt kommt der nächste.«
    »Den erledige ich, sobald ich mich erholt habe.«
    »Du erledigst ihn sofort.«
    »Warum immer ich? Schickt doch Tufec oder Rizim los.«
    Ein scharlachroter Blitz schoss aus dem Zeigefinger des Alten und setzte mein Pentagramm in Brand. Ich jaulte auf und vollführte wilde Luftsprünge.
    Das Knistern ließ nach, ebenso der Schmerz in meinen Füßen, und ich verharrte in einer unvorteilhaften Pose.
    »Du hattest recht, Bartimäus«, kicherte der Alte. »Du tanzt wirklich nicht übel. Ist dir immer noch nach Widerworten zumute? Dann wäre nämlich ein weiterer Eintrag fällig.«
    »Nein, nein… nicht nötig.« Zu meiner großen Erleichterung steckte er den Griffel bedächtig wieder hinter das runzlige Ohr. Ich klatschte schallend in die Hände. »Ihr habt einen neuen Auftrag für mich? Welche Freude! Ich bin gerührt, dass Ihr unter so vielen anderen würdigen Dschinn ausgerechnet mich auserwählt habt. Was verschafft mir diese Ehre? Ist sie der Lohn dafür, dass ich den Riesen im Libanon-Gebirge quasi nebenbei erledigt habe? Dass ich die kanaanitischen Rebellen mit unermüdlichem Eifer in die Flucht schlug? Oder verdanke ich sie schlicht meinem guten Ruf?«
    Der Alte kratzte sich die Nase. »Falsch geraten. Du verdankst sie deinem Benehmen gestern Abend, als dich die Wachkobolde dabei beobachtet haben, wie du in Gestalt eines Mandrill-Affen vor dem Schaftor durchs Unterholz stolziert bist, anstößige Lieder über König Salomo geschmettert und deine eigene Herrlichkeit lautstark gepriesen hast.«
    Das junge Mädchen zuckte missmutig die Achseln. »Vielleicht handelt es sich ja um eine Verwechslung.«
    »Wenn jemand hartnäckig wiederholt: ›Bartimäus ist der Größte‹, lässt das gewisse Schlussfolgerungen zu.«
    »Na schön, ich war’s. Dann hatte ich eben zu viele Stechlinge zum Abendessen. Macht doch nichts.«
    »Ach nein? Die Wächter haben es ihrem Vorgesetzten gemeldet, und der hat sich bei mir gemeldet. Ich habe es dem Obermagier Hiram gemeldet und ich glaube,
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