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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Autoren: Jonathan Stroud
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inzwischen ist es auch dem König zu Ohren gekommen.« Der Alte setzte eine förmliche Miene auf und sagte streng: »Der König ist ganz und gar nicht erfreut.«
    Ich blies die Wangen auf. »Kann er mir das nicht selber sagen?«
    Das gesunde Auge des Zauberers trat aus der Höhle. Es sah aus wie ein Ei, das gerade aus dem Hinterteil eines Huhnes hervorkommen will. 1 »Du wagst es vorzuschlagen«, keifte er, »dass der große Salomo, König von ganz Israel, Herr über alle Ländereien vom Golf von Akaba bis zum Strom des Euphrat, sich herablassen soll, das Wort an einen schwefligen Sklaven wie dich zu richten? Allein die Vorstellung! In meinem ganzen Leben habe ich noch nie eine solche Unverschämtheit…«
    »Ich bitte Euch. Seht Euch doch an. So etwas müsst Ihr schon mal erlebt haben.«
    »Macht zwei Einträge, Bartimäus, für deine Dreistigkeit.« Er kratzte wütend mit dem Griffel auf der blöden Tonrolle herum. »Schluss jetzt! Hör mir gut zu. Salomo wünscht neue Trophäen für seine Wunderkammer. Er hat seine Zauberer angewiesen, die gesamte bekannte Welt nach kunstvollen und zaubermächtigen Gegenständen zu durchsuchen. Zu dieser Stunde beschwören meine Rivalen auf sämtlichen Türmen Jerusalems lauter Dämonen, die dir an Widerwärtigkeit in nichts nachstehen, und senden sie wie feurige Kometen in alle vier Himmelsrichtungen aus, damit sie versunkene Städte plündern. Mit den erbeuteten Schätzen wollen sie Eindruck auf den König machen und sich bei ihm einschmeicheln. Aber das wird ihnen nicht gelingen, Bartimäus, denn wir werden ihm die prächtigste Trophäe von allen überreichen. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
    Das hübsche Mädchen zog einen Flunsch, meine langen, scharfen Zähne glitzerten feucht. »Schon wieder Grabräuberei? Soll Salomo die Drecksarbeit doch selber erledigen. Aber nein, es wäre ja zu viel verlangt, dass er mal den Finger hebt und den Ring benutzt. Noch fauler geht’s wirklich nicht.«
    Der Alte grinste verschlagen. Die schwarze Höhle seines fehlenden Auges schien das Licht einzusaugen. »Deine Ansichten sind sehr interessant. So interessant, dass ich sie dem König nicht vorenthalten möchte. Ich werde ihn sogleich aufsuchen. Wer weiß? Vielleicht hebt er ja doch den Finger und benutzt den Ring – gegen dich.«
    Eine kleine Pause trat ein und das dämmrige Zimmer verdunkelte sich merklich. Ein kalter Schauer rieselte mir den wohlgeformten Rücken herunter. »Macht Euch keine Umstände, Meister«, knurrte ich. »Ich beschaffe ihm seine Trophäe. Wo soll’s denn hingehen?«
    Mein Herr zeigte auf das Fenster, durch das die Lichter Jerusalems heiter hereinblinkten. »Du fliegst ostwärts, nach Babylon. Hundert Meilen südöstlich dieser sündigen Stadt und dreißig Meilen südlich vom derzeitigen Lauf des Euphrat findest du die verfallenen Überreste einer uralten Stadt. Die Bauern dort meiden die Ruinen aus Furcht vor Geistern, und die Nomaden weiden ihre Herden nur jenseits der äußersten Hügelgräber. Heute hausen dort nur noch ein paar religiöse Eiferer und andere Verrückte, aber der Ort war nicht immer so verlassen. Einst hatte er sogar einen Namen.«
    »Eridu«, sagte ich leise. »Ich weiß.« 2
    »Wie seltsam müssen die Erinnerungen eines Wesens sein, das den Aufstieg und Fall solcher Orte miterlebt hat…« Nun erschauerte der Alte. »Ich mag gar nicht darüber nachdenken. Aber umso besser, wenn du dich noch daran erinnerst! Durchstöbere die Ruinen, mach die alten Tempel ausfindig. Wenn man den Schriftrollen glauben darf, muss es dort noch zahlreiche Geheimkammern geben, in denen unschätzbare antike Kostbarkeiten schlummern! Wenn wir Glück haben, sind einige davon noch unberührt.«
    »Ganz bestimmt. Bei den Wächtern…«
    Dann änderte der Fluss seinen Lauf. Die Felder verdorrten, die Menschen wurden mager und bösartig. Die Tempel zerfielen und die Stadt und ihre ruhmreiche Vergangenheit gerieten in Vergessenheit. Nur nicht bei Geistern wie mir. Und wenn die Gier nach Gold wieder einmal über ihre Angst siegte, auch nicht bei den Zauberern.
    »Gewiss, die Zauberer dürften damals gewisse Vorsorgemaßnahmen getroffen haben!« Die Stimme des Alten schwoll dramatisch an, er fuchtelte abwehrend mit den Händen. »Wer weiß, was für Geschöpfe dort noch lauern mögen? Wer alles in den Ruinen umgeht? Welch abstoßende Wesen, was für abscheuliche Ungeheuer dort… Was machst du da eigentlich mit deinem Schwanz? Lass das! Das ist
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