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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Autoren: Jonathan Stroud
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Mumienbrösel auf die glasierten Reliefs alter sumerischer Könige.
    Das verschaffte mir eine kurze Atempause. Ich schaute mich um.
    In den achtundzwanzig Sekunden, seit ich mich durch die Decke gebohrt hatte, war mir noch keine Zeit geblieben, meine Umgebung ausführlich in Augenschein zu nehmen, aber die Ausstattung und der Zustand des Tempels lieferten mir gewisse Hinweise. Zum einen handelte es sich zweifelsfrei um einen Tempel des Wassergottes Enki (das verriet mir das Standbild, außerdem tauchte Enki in allen Wandreliefs auf, umringt von seinen Fischen und Schlangendrachen), der seit mindestens 1.500 Jahren nicht mehr verehrt wurde. 3 Zum anderen war in den langen Jahrhunderten, seit die Priester die Türen versiegelt und die Stadt dem alles verschlingenden Wüstensand überlassen hatten, niemand mehr hier eingedrungen. Das erkannte ich an der dicken Staubschicht auf dem Boden, dem unversehrten Steinblock vor dem Eingang, dem Eifer der untoten Wächter und – nicht zuletzt – an der Figur auf dem Altar am anderen Ende des großen Raumes.
    Bei der kunstvoll aus purem Gold gefertigten Figur handelte es sich um eine Wasserschlange, eine Verkörperung des Enki. Sie blinkte matt im Schein der von mir zur Beleuchtung des Saales entflammten Signalfeuer, und ihre Rubinaugen funkelten unheilvoll wie verlöschende Glut. Allein als antikes Kunstwerk war sie vermutlich unbezahlbar, aber das war nur die halbe Miete. Denn die Figur besaß auch magische Kräfte und verströmte auf den höheren Ebenen eine charakteristisch pulsierende Aura. 4
    So weit, so gut. Jetzt musste ich mir das Ding nur noch schnappen und wieder verschwinden.
    »‘tschuldigung, ‘tschuldigung…« Ich schob die Untoten sanft beiseite beziehungsweise (das war die Regel) pustete sie mittels Infernos quer durch den Saal. Trotzdem wurden es immer mehr, sie kamen aus hohen, schmalen Nischen in allen vier Wänden getorkelt. Zum Glück hatte ich die körperliche Erscheinungsform eines jungen Mannes gewählt und war entsprechend gut in Form. Unter Einsatz von Zauberkraft, Fußtritten und Fausthieben pflügte ich mich in Richtung Altar durch…
    … und erblickte die nächste Falle.
    Um die goldene Schlangenfigur war auf der vierten Ebene ein Netz aus smaragdgrün schimmernden Fäden gesponnen. Die Fäden waren hauchdünn und sogar für meine Dschinnaugen kaum sichtbar. 5 Zwar wirkten sie ziemlich altersschwach, aber ich hatte trotzdem Respekt vor ihnen. Sumerische Altarfallen sollte man generell nach Möglichkeit meiden.
    Ich blieb stehen und überlegte. Es gab durchaus Mittel und Wege, die Fäden aufzulösen, doch das erforderte Zeit und mehr Platz.
    Da spürte ich auf einmal einen stechenden Schmerz. Ich musste feststellen, dass sich ein besonders heruntergekommener Leichnam (der Betreffende hatte zu Lebzeiten eindeutig an den verschiedensten Hautkrankheiten gelitten und sich bestimmt über die Mumifizierung als entscheidende Verbesserung seines Schicksals gefreut) angeschlichen und seine Zähne tief in die Substanz meines Unterarms gegraben hatte.
    So eine Frechheit! Dem Burschen würde ich’s zeigen. Ich stieß ihm kameradschaftlich die Hand zwischen die Rippen und feuerte eine kleine Aufwärtsdetonation ab. Diesen Trick hatte ich schon etliche Jahrzehnte lang nicht mehr ausgeführt und fand ihn noch genauso lustig wie früher.
    Sein Kopf schoss wie ein Sektkorken in die Höhe, knallte gegen die Decke, prallte zweimal von den Wänden ab und (plötzlich fand ich das Ganze gar nicht mehr komisch) plumpste neben dem Altar zu Boden, wobei er das schimmernde Fadennetz durchtrennte.
    Womit wieder einmal bestätigt wäre, dass man Arbeit und Vergnügen bei der Erledigung eines Auftrags sauber trennen soll.
    Eine dumpfe Erschütterung hallte durch alle Ebenen. Bei mir kam sie nur so leise an, dass ich kaum etwas hörte, aber drüben am Anderen Ort musste es ganz tüchtig gerumpelt haben.
    Erst rührte ich mich nicht vom Fleck: ein schlanker junger Mann mit dunkler Haut und weißem Lendenschurz, der ärgerlich die sich krümmenden Fadenenden betrachtete. Dann gab ich mir einen Ruck, fluchte wortreich auf Aramäisch, Hebräisch und in anderen Sprachen, griff mir die Schlangenfigur und trat schnurstracks den Rückzug an.
    Ein paar übereifrige Untote klapperten hinter mir her. Ohne mich umzudrehen, entfesselte ich einen Flutzauber, der sie wegspülte.
    Die verbliebenen Fäden über dem Altar stellten ihre Zuckungen ein, verflüssigten sich rasend schnell und
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