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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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südwestlicher Richtung tief in die Wüste zog. Diese Stützpunkte hatten romantisch klingende, volltönende Namen – Tummar, Rabia und Sofafi –, als lägen sie an irgendeiner Gewürzstraße, die durch die Wüste führt.
    Die Truppenstärke der Italiener betrug mittlerweile 250 000 Mann. Als wir unser Ziel erreichten, wurden wir alliierten Kräften zugeteilt, die am Boden und in der Luft weit in der Unterzahl waren: Wir waren insgesamt knapp 100 000 Mann.
     

     
    Kairo war unser letzter Zwischenstopp, ehe der Krieg für uns bittere Wirklichkeit wurde. Es war unsere letzte Gelegenheit, noch einmal tief durchzuatmen, ehe die wahren Strapazen begannen, die mich so gut auf die Gefangenschaft vorbereiteten und alles, was danach kam. Charles Calistan, Cecil Plumber und ich begaben uns in Begleitung von zwei anderen Soldaten auf Entdeckungsreise, um die zweifelhaften Freuden der Stadt zu erkunden. Cecil war ein nachdenklicher Bursche mit hoher Stirn und scharfen Augen. Ich kannte ihn als ausgezeichneten Wicket-Keeper aus meiner Kricketmannschaft in Essex. Diese schönen Tage auf der Dorfwiese waren jetzt nur noch eine ferne Erinnerung. Anstelle der Drosseln und Lerchen zogen schwarze Falken über den Himmel einer Stadt, die so exotisch wie geheimnisvoll war und vor alliierten Soldaten aus den Nähten platzte: Neuseeländer und Inder, Australier und Briten.
    Ein Pferdewagen überholte uns. Er war rappelvoll mit Jungs in Khaki, alle in bester Laune, die sich in eine ausschweifende Nacht stürzten. Es bereitete mir Schmerzen, als ich die Angst des Pferdes sah, das an die Deichsel gespannt war. Gleich vor uns sprangen die Männer vom Wagen, riefen »Ein dreifach Hoch auf den Kutscher!« und machten sich davon, ohne zu bezahlen.
    Wir sahen Kamele, die schier unglaubliche Lasten trugen. Wir sahen Männer, die auf Eseln ritten, wobei ihre Füße über den Boden schleiften, während sie mit Stöcken auf die Tiere einprügelten. Straßenkinder, die nach »Bakschisch! Bakschisch!« riefen, wimmelten um uns her. Kleine Jungen verhökerten Andenken von zweifelhaftem Wert. Andere drängten uns verdächtig aussehende Fruchtsäfte und Feigen zweiter Wahl auf. Eine staubige Straßenbahn ratterte vorüber, wobei Funken von ihren Rädern stoben. In der Luft lag ein gelber Dunst, eine Mischung aus Rauch und Sandpartikeln aus den Weiten der Wüste, verfeinert vom Gestank der offenen Kanalisation.
    Wir verließen die lärmende Straße, wo die Pferdewagen mit den Lkw um Raum kämpften, und verzogen uns in den Melody Club, der »Sweet Melody« genannt wurde – da hatte jemand seinen Sinn für Humor bewiesen. Der Eingang war mit zwei muffigen Vorhängen verschlossen, die der Verdunklung dienten, obwohl auf der Straße blaue Laternen brannten und aus allen Fenstern und Türen Licht fiel. Als ich mich durch den ersten Vorhang schob, stolperte ich über einen Sack am Boden, der sich im dämmrigen Licht als australischer Soldat erwies, der im Suff zu meinen Füßen lag.
    Wir schoben uns durch den zweiten Vorhang in eine schummrige, verräucherte Bar. Eine Band spielte auf einer kleinen Bühne hinter einer Barriere aus Stacheldraht. Den Stacheldraht brauchten sie wirklich. Sie rackerten sich ab, damit sie in dem Lärm gehört wurden. In der Bar wimmelte es von Soldaten aus der Wüste, die auf Ablenkung aus waren. In der Decke erblickte ich Einschusslöcher, und was alles auf dem Boden lag, wollte ich lieber gar nicht wissen. Meist lastete man ein solches Zerstörungswerk den Australiern an. In der Wüste waren sie erstklassige Kämpfer, aber sobald sie in Kairo waren und Alkohol in die Hände bekamen, gerieten sie außer Rand und Band.
    Eine nicht ganz ungefährliche, zerstörerische Aufgekratztheit lag in der Luft. Entspannen konnte man in dieser Bar nun wirklich nicht. Wir hatten gerade unsere Getränke bekommen, als an einem Ecktisch auch schon Geschrei losbrach. Ein Bursche, der mitten in dem Getümmel stand, packte einen Stuhl und warf ihn über seinen Kopf nach hinten, wo er auf einen anderen Tisch mit Feiernden krachte. Einer seiner Kameraden setzte den Stuhlwerfer mit einem rechten Haken außer Gefecht. Vielleicht hatte er einen Streit beenden wollen, oder er wollte eine ausgewachsene Schlägerei vom Zaun brechen. Doch dass er nun am Boden lag, beruhigte die Lage. Er wurde nach draußen getragen, wo man ihn neben den Australier legte, der die Tür versperrte. Der Rest der Gruppe rückte die Stühle gerade und zog sich die Uniformen
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