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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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straff. Das Gemurmel nahm wieder seine ursprüngliche Lautstärke an.
    Offiziere besuchten ausnahmslos die Bar des berühmten Shepheard Hotel, wo sich die High Society von Kairo traf. Einfache Soldaten wie wir mussten sich herausputzen, um überhaupt eingelassen zu werden. Die kühle Terrassenbar war eine andere Welt. Ein Mann im Anzug spielte auf einem richtigen Flügel. Korbsessel, zu Sitzgruppen arrangiert, standen auf dem gefliesten Boden. Ägyptische Kellner in langen weißen Galabijas servierten Getränke auf funkelnden Tabletts, die sie mit einer Hand balancierten. So gefiel es uns schon besser. Ich war mittlerweile Corporal; tatsächlich eignete ich mich viel besser zum Anführer als zum Gefolgsmann. Ich hatte mir fest vorgenommen, im Feld zum Offizier befördert zu werden, und das Shepheard entsprach eher dem Leben, das mir vorschwebte.
    Später überquerten wir in der Geschäftigkeit des kühlen Abends die Englische Brücke über den Nil, die von vier riesigen Bronzelöwen bewacht wurde. »Seht ihr die?«, fragte einer von uns. »Jedes Mal, wenn eine Jungfrau die Brücke überquert, brüllen die Biester, also passt gut auf.« Wir lachten ein wenig gezwungen. Je näher der Einsatz in der Wüste rückte, desto häufiger sprachen wir über Mädchen. Das Wissen, dass es nicht mehr lange dauerte, bis auf uns geschossen wurde, machte uns zu schaffen. Wenig überraschend kam das Gespräch jedes Mal schnell auf Sex. Wie sich herausstellte, waren die meisten von uns noch unschuldig und auch durchaus bereit, dies zuzugeben. Ich war einundzwanzig, und Sex vor der Ehe gab es damals kaum. Ich weiß, das glaubt einem heutzutage keiner mehr. Jedenfalls, viele von den Jungs saßen im gleichen Boot wie ich. Wir waren zwar alt genug, um zu sterben, aber was den Sex anging, waren wir völlig unerfahren. Wahrscheinlich hatte es auch damit zu tun, dass ich trotz meiner Fitness am Abend eines Ausbildungstages hundemüde auf die Pritsche sank; da denkt man dann nicht unbedingt an Sex. Für einige andere jedoch wurde der Gedanke beinahe zur Besessenheit.
    Der Name einer Straße kam den Soldaten oft über die Lippen: Die Berka war das Zentrum für das älteste Gewerbe der Welt. Für Angehörige der Streitkräfte, egal welchen Dienstgrad sie bekleideten, war die Berka verbotenes Terrain, von großen weißen Schildern und schwarzen Kreuzen umstanden, das nicht selten von der Militärpolizei gestürmt wurde. Die Jungs ließen sich davon zwar nicht abhalten, aber mir persönlich ging die ganze Sache irgendwie gegen den Strich. Ich konnte verstehen, dass junge Männer, die in den Kampf zogen, vorher noch in die Berka wollten, aber mich stieß der Gedanke ab; deshalb ging ich niemals mit. Jetzt, am Vorabend meines Aufbruchs in die Wüste, lief bei mir sowieso nichts mehr. Ablenkung konnte den Tod bedeuten, und ich war entschlossen, sämtliche Hindernisse zu überwinden, die sich mir entgegenstellten. Aber wenn ich das schaffen wollte, musste ich mich ganz aufs Überleben konzentrieren.
     

     
    »Sammelt eure Papageien und Äffchen ein, es geht los.« Der Befehl klang seltsam, aber wir wussten, was er bedeutete: Wir brachen auf in die Wüste. Sie nannten es »aufs Blaue fahren«, weil die Wüste ein exotisches, trockenes Meer war – eine Wunderwelt für einen Jungen aus einem grünen, regnerischen Land. Wir gehörten nun zur 7. Panzerdivision, den unverwüstlichen, nomadischen Desert Rats , den Wüstenratten.
     

     
    Der langsame Zug schlich durch Bahnhöfe mit so putzigen Namen wie Zagazig. Dann dampfte er nach Westen, an weißen Sanddünen vorüber, hinter denen das blaue Meer schimmerte, und vorbei an einer Zwischenstation mit einem Namen, der uns damals noch nichts sagte – El Alamein –, sowie einem Bahnhof namens Fuka, was zu einiger Erheiterung Anlass gab.
    Wir erreichten Marsa Matruh, wo die britischen Truppen sich verschanzt hatten. In Erwartung eines weiteren italienischen Vorstoßes führten sie eine Art Höhlenmenschendasein. Unsere Aufgabe bestand nun darin, die Italiener zu verwirren, also drangen wir weiter in die Wüste vor. Der ausgefahrene Weg nach Süden verbreiterte sich bald, weil Lastwagenzüge die schwierigeren Stellen umfahren hatten.
    Meine Erwartung, dass ich gewellte Sanddünen zu sehen bekam, die vom Wind geformt waren, wich rasch einer Wirklichkeit aus Stein und Fels, die nur hier und da durch Sträucher und Flecken aus staubfarbenem feinem Sand unterbrochen wurde. Man nannte es »Porridge Country«,
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