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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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strahlte ein an die Decke projizierter Pseudohimmel mitsamt dahinziehenden Wolken. Wir waren hellauf begeistert, und als krönender Abschluss des Tages wurde uns ein anständiges Essen serviert.
     

     
    Nach vier Tagen sagten wir Kapstadt Lebewohl. Der Tafelberg wurde hinter uns zu einer Silhouette im Dunst, und der Geleitzug teilte sich erneut auf. Die Otranto gehörte zu einer Flotte von zehn Schiffen, die das Kap umrundeten und die Ostküste Afrikas entlang nach Norden fuhren. Am 14. September erreichten wir Perim, die Vulkaninsel an der Einfahrt zum Roten Meer. Von dort legten wir den letzten Teil der Reise im Schutz der Dunkelheit zurück, noch immer von vier Kriegsschiffen geschützt. Schon bald gelangten wir in Reichweite italienischer Flugzeuge und Marineeinheiten, deren Stützpunkt Massaua in Eritrea war. Sämtliche Lichter auf der Otranto wurden gelöscht, und die Besatzung musste sich ihren Weg durch das Schiff ertasten. Die Verdunklung war vollständig, aber der Nachthimmel war hell von Sternen, und im phosphoreszierenden Wasser des Golfs von Aden entdeckte ich den bedrohlichen Umriss eines riesigen Mantas.
    Meine Kameraden und ich waren Verstärkung, die dringend benötigt wurde. Wir ankerten vor Port Taufiq an der Einfahrt des Suezkanals, umgeben von Kriegsschiffen, Frachtern und rostigen Schleppern, die schwarzen Rauch in die Luft bliesen; neben diesen Schiffsriesen dümpelten winzige arabische Dauen und Fischerboote. Man brachte uns nach Genefa, einem ausgedehnten Zeltlager unweit der Bitterseen. Die Schlacht gegen den Durst hatte begonnen, doch überall im Lager standen riesige Steingutkrüge, groß genug, um einen Sergeanten darin zu ersäufen. Die Krüge waren bis zum Rand mit kühlem Wasser gefüllt. Das war die gute Nachricht.
    Die schlechte Nachricht war, dass wir gleich für den Tag nach unserer Ankunft den Befehl erhielten, vierzig Kilometer durch die Wüste zu marschieren und einen kahlen Felsen zu umrunden, den man »Floh« nannte. Irgendein hohes Tier schien der Meinung zu sein, dass wir unbedingt beschäftigt werden müssten.
    Während ich in England Strohpuppen mit dem Bajonett aufgespießt hatte, war 2 RB , wie wir das 2. Bataillon der Rifle Brigade kurz nannten, in die Wüste entsandt worden.
    Noch hatte der italienische Diktator Benito Mussolini Großbritannien nicht den Krieg erklärt, aber lange konnte es nicht mehr dauern. Seit sechs Wochen hielt Mussolini bombastische Ansprachen, und das Bataillon wurde gnadenlos gedrillt. Ich erinnere mich an ein Foto in einer Zeitschrift, auf dem zu sehen war, wie italienische Elitesoldaten über Reihen rasiermesserscharfer Bajonette sprangen, was mich zu dem Gedanken führte, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte.
    Am Tag nach der Kriegserklärung Italiens an England wurde die 7. britische Panzerdivision, zu der auch 2 RB gehörte, an die libysche Grenze verlegt. Die modernste Streitmacht auf Erden waren wir nicht gerade. Einige unserer Panzerwagen waren alte Rolls-Royce Silver Ghosts, die Lawrence von Arabien im Ersten Weltkrieg eingesetzt hatte, doch wir eroberten in rascher Folge einen Grenzposten nach dem anderen.
    Mussolini machte seinen ersten richtigen Schachzug, als sich unser Geleitzug für die Fahrt durch das Rote Meer bereitmachte. Der »Duce« hatte vor Augen, was Deutschland in Europa erreicht hatte, und nun wollte auch er ein Stück vom Kuchen. Mussolini hatte ein Auge auf den Nil geworfen, den Suezkanal und die britischen Nachschublinien nach Indien. Er befahl Marschall Graziani – genannt »Schlächter von Libyen« ob der Brutalität, mit der er einen arabischen Aufstand niedergeschlagen hatte –, Ägypten und die Briten anzugreifen. Am 13. September 1940 drangen 85 000 italienische Soldaten aus Libyen nach Ägypten vor und zwangen die wesentlich kleineren britischen Verbände zum Rückzug. Der italienische Vormarsch kam erst bei Sidi Barrani zum Stehen, einer Siedlung an der Küste, gut hundert Kilometer hinter der Grenze. Bald darauf verkündete der Duce in italienischen Propagandasendungen, dass die Straßenbahnen der Stadt bereits wieder führen. Straßenbahnen? Sie wussten dort nicht einmal, wie man das Wort schrieb. Sidi Barrani bestand nur aus einer Handvoll Häusern und einer Ansammlung von Lehmhütten. Dort gab es kaum eine anständige Straße, von einer Straßenbahn ganz zu schweigen.
    Die Italiener errichteten eine Kette von ausgeklügelten Befestigungen, die an der Küste begann und sich in
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