Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
eins fünfundsiebzig, aber gut gebaut und kräftig. Er war ein Jock, ein Schotte von der Black Watch, einem zähen Hochlandregiment, und es war nicht zu übersehen, dass jeder auf dem Schiff glaubte, ich würde eine Abreibung bekommen.
    Mein Gegner war offensichtlich ein Straßenkämpfer, womöglich sogar ein Profiboxer, doch als ich näher trat, konnte ich ihn besser erkennen. Und was ich sah, gab mir neue Hoffnung. Die Augenbrauen meines Gegners waren von Narben durchzogen; er hatte Blumenkohlohren und eine platte Nase. Jeder, der so schlimm verdroschen worden war, konnte kein besonders guter Fighter sein, oder er war nicht allzu schnell. Hier hatte jemand eine Fehleinschätzung getroffen, und ich war es nicht.
    Schon als kleiner Junge hatte ich in Boxklubs gekämpft, und ich war schnell auf den Beinen. Während ich meine Beweglichkeit ausnutzte, stapfte mein Gegner durch den Ring. Ein paar Mal hätte er mich fast getroffen, aber ich hatte schnelle Fäuste, eine ziemlich gute Linke und schlug gute Haken. Ich zielte nie auf sein Gesicht, nur auf den Körper. Gegen Mitte der zweiten Runde verpasste ich ihm einen wuchtigen Treffer auf den Solarplexus, und er ging zu Boden und schnappte nach Luft. Es war vorbei.
    Nach dem Kampf blieb ich an Deck, um mir die anderen Fights anzuschauen, aber es war kein schöner Anblick. Ein Offizier der Black Watch wurde überredet, sich einem seiner eigenen Männer zum Kampf zu stellen. Der Offizier war unbeliebt und zögerte lange, ob er kämpfen sollte – aus gutem Grund. Als er schließlich in den Ring trat, wurde er nach Strich und Faden vermöbelt, der arme Kerl.
    Doch davon abgesehen verliefen die meisten Boxkämpfe an Bord fair und waren eher ein kameradschaftliches Kräftemessen. Ich kämpfte oft gegen Charles Calistan – guter alter Charles. Wir waren zusammen ausgebildet worden und von Anfang an prima miteinander ausgekommen. Charles war ein gut aussehender Bursche mit lockigem schwarzem Haar, ein Anglo-Inder, der Urdu sprach und sich später als wahrer Held erwies. Er hätte das Viktoriakreuz verdient gehabt. Außerdem war er ein talentierter Boxer, und an Bord trainierte ich regelmäßig mit ihm.
     

     
    Nach elf Tagen auf See sahen wir zum ersten Mal Land und gingen vor Freetown in Sierra Leone vor Anker. Für uns stand fest, dass wir das Kap der Guten Hoffnung umrunden und dann nach Norden weiterfahren würden, nach Ägypten. Zwei Tage später dampften wir weiter nach Kapstadt, ohne einen Fuß an Land gesetzt zu haben. Dort blickte ich zum Tafelberg hinauf, den ich aus dem Erdkundeunterricht kannte, und für einen Moment glaubte ich, dass es das Paradies wirklich gab.
    Es war schön, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Zum ersten Mal im Leben betrat ich fremdes Land – es sei denn, man zählt das Kricket-Auswärtsspiel in Sheffield mit. Kapstadt war zu dieser Jahreszeit ziemlich kühl, aber ich fand es dennoch beeindruckend. Am Kai wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Eddie, ich und zwei andere wurden einem wohlhabend wirkenden weißen Südafrikaner in mittleren Jahren zugeteilt, der einen hellen Anzug trug und ein dunkles Auto fuhr. Er hatte sich freiwillig gemeldet, um den Soldaten ein wenig die Stadt zu zeigen.
    Für mich war alles neu und unbekannt. In meinem ganzen Leben hatte ich bisher nur einen einzigen Schwarzen gesehen, einen Burschen, der in Epping einen Marktstand hatte. Er hat mir eine Menge Blödsinn erzählt. Zum Beispiel hat er behauptet, er könne in die Sonne schauen, ohne dass es seinen Augen schadet.
    Als erste Kostprobe des Auslands war Kapstadt großartig, und wir ließen es uns richtig gut gehen, nachdem man uns vorher zu viert in eine Kabine gepfercht hatte, die für zwei Mann bestimmt war. Der Bursche in dem hellen Anzug brachte uns zu einem Haus im Kolonialstil mit riesigem Grundstück und legte uns nahe, die Außendusche zu benutzen, die mit dem Schwimmbecken verbunden war. Dieses Angebot ließ in Eddie die Frage aufkommen, wie übel wir eigentlich rochen. Jedenfalls, nachdem wir uns an Deck des Schiffes nur hin und wieder mit Meerwasser abgespritzt hatten, stand ich nun in einem Regen aus Süßwasser und spürte, wie das Salz und der Schweiß vieler Wochen von meiner Haut gespült wurden. Ich konnte mich kaum überwinden, die Duschkabine wieder zu verlassen.
    Später an diesem Tag gingen wir auf Einladung unseres Fremdenführers in eines der nobelsten Restaurants, die ich je gesehen habe, mitten im Herzen der Stadt. Über uns
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher