Der Mann, der die Frauen belog - Roman

gespart.«
    In der tiefer werdenden Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht mehr genau erkennen, aber er hatte den Eindruck, dass sie lächelte.
    »Die Zivile Kontrollbehörde denkt jetzt womöglich, ich hätte auf den Kater geschossen. Bis jetzt hat es allerdings noch keinen Verweis gesetzt.«
    Auch er lächelte unwillkürlich, obgleich ihm eigentlich nicht danach zumute war.
    »Du hast doch das Video.«
    »Die letzten Minuten sind nicht drauf.« Das war nun Mallorys Art, ihm zu sagen, dass die Szene, in der er einen kleinen Jungen unter Feuer genommen hatte, gelöscht und damit ungeschehen gemacht war. Hin und wieder überraschte sie ihn mit einem ganz erstaunlichen Maß an Takt und Zartgefühl.
    »Das war verdammt mutig, Charles. Ihn mit einer ungeladenen Waffe auszutricksen, meine ich.«
    Sie rutschte von der Schreibtischkante und ging hinaus. Der Kater, behindert durch seinen Verband, tapste unbeholfen hinterher. Ein Hauch von Parfüm blieb im Raum zurück, und erst nach einigen Minuten war Mallory wirklich weg.
    In einer Romanze aus alter Zeit hätte eine Frau wohl gefragt: »Würdest du mir zuliebe einen Drachen töten?« Doch in einer veränderten Welt hatten die Ungeheuer viele Gesichter und waren nicht mehr so leicht auszumachen. In dieser bizarren Romanze an der Schwelle eines neuen Jahrtausends hätte Mallory fragen können: »Würdest du mir zuliebe ein Kind töten?«
    Auch Mallory hatte so etwas wie einen Ehrenkodex und würde ihn das nie fragen, aber die Frage würde unausgesprochen immer zwischen ihnen stehen. Und irgendwann würde er vielleicht Mut fassen und ihr antworten. Mit einem klaren Ja. Denn er hatte geglaubt, die Waffe sei geladen, und er hatte gezielt geschossen. Mallory zuliebe.